Der Fluch des Koenigs
die Luft steigen wie eine Todeswolke. Mit erschütternder Gewissheit wusste Moa, dass die Aschewesen in der Nacht lauerten. Sie würden sich auf Joesin stürzen und ihn verschlingen.
Moa rief nach ihm, doch eine Wolke von Asche drang in ihren Mund und legte sich über ihre Lungen wie ein schweres, feuchtes Tuch. Sie schnappte nach Luft und fiel auf die Knie. „Joesin“, krächzte sie heiser.
Er stand unbewegt.
Der Aschefall wurde dichter. Joesin war nur noch als Schemen zu erkennen, obwohl er nur wenige Schritte von ihr entfernt stand.
Moa kam taumelnd auf die Füße. „Joesin“. Sie hustete und rang nach Luft. „Du musst mir zuhören. Sie sind Wesen der Dunkelheit. Sie werden kommen.“
Moa stolperte einen Schritt auf ihn zu und streckte die Hand nach ihm aus. Doch dann sah sie es: Joesins Körper war vollkommen mit Asche bedeckt. Die grauen Flocken klebten überall auf seiner Kleidung, seinem Haar und seiner Haut, saugten sich an ihm fest wie Parasiten. Langsam hob er den Kopf.
Sein Gesicht war aus Stein gemeißelt. Tiefe Risse zogen sich hindurch und dort wo seine Augen sein sollten, lagen tiefe, schwarze Löcher, die Moa blicklos anstarrten. Seine Stimme war ein raues Kratzen. „Sie sollen sich mit meiner Dunkelheit messen.“
Mit einem Schrei auf den Lippen fuhr Moa von ihrem Lager hoch. Ihr Herz hämmerte wie wild. Hecktisch blickte sie in der Hütte umher, ohne wirklich etwas zu sehen. Mit der Hand fasste sie sich an die Kehle. Das Grauen, das sie im Traum empfunden hatte, war ihr in die wirkliche Welt gefolgt, hatte sich an ihr festgesaugt wie die Ascheflocken an Joesins Körper. Sie konnte es nicht abschütteln.
Auf einmal fühlte Moa sich von der Decke erdrückt. Energisch schob sie sie weg und kam schwer atmend auf die Füße. Ihre Haut fühlte sich heiß an und juckte, kleine Schweißperlen sammelten sich auf ihrer Stirn. Die Hütte schien ihr zu eng, zu klein, um frei atmen zu können. Moa stolperte zur Tür und riss sie auf. Ein Schwall kühler Luft wehte ihr entgegen. Sie taumelte über die Schwelle und stürzte von der Hütte weg, dem Wald entgegen.
Als sie die Tannen erreicht hatte, hielt sie an, beugte sich vor und stützte die Hände auf ihre Knie. Nur langsam beruhigte sich ihr Atem, doch sie kam wieder zu sich.
Moa wischte sich den kalten Angstschweiß von der Stirn. Zitternd richtete sie sich auf und blickte umher. Nur noch ein einziger Schritt trennte sie von dem Tannenwald vor ihr. Er lag still da, als würde er darauf warten, dass sie eine Entscheidung traf. Nebelfetzen zogen zwischen den hohen Stämmen der Tannen hindurch und verfingen sich in herabhängenden Ästen. Joesin war nirgends zu sehen.
Moa raffte ihre Röcke und rannte in den Wald hinein so schnell sie konnte. Sie wusste, dass sie etwas Verrücktes tat, doch sie erlaubte sich nicht darüber nachdenken, bevor Angst und Zweifel sie zurückhalten konnten.
Der Waldboden war mit einem dichten Nadelteppich bedeckt, so dass ihre Schritte nur ein gedämpftes Geräusch verursachten und die Bäume standen so weit auseinander, dass sie nur hin und wieder einzelnen Ästen oder umgestürzten Tannen ausweichen musste. Moa lief und sprang, stolperte, raffte sich auf und rannte weiter. Ihre Lungen brannten und ihr Herz schlug ihr bis in den Hals.
Je weiter sie in den Wald vordrang, desto dichter wurde er. Klauenartige Zweige streckten sich nach ihr aus und rissen an ihren Kleidern und ihrer Haut. Moa war gezwungen langsamer zu laufen, Äste zur Seite zu biegen und sich unter ihnen hindurch zu bücken, doch sie hielt nicht an. Sie marschierte, bis die Bäume so dicht waren, dass sie den grauen Himmel nicht mehr sehen konnte und die Schatten um sie länger wurden.
Dann begann es zu regnen. Erst fiel leichter Nieselregen auf das dichte Nadeldach über ihrem Kopf. Es klang wie ein entferntes Wispern und noch drang kein Tropfen durch die Zweige. Moa lächelte zu den Baumwipfeln empor; das bisschen Regen konnte ihr nichts anhaben. Doch schon bald wurde das Nieseln stärker und die ersten Tropfen bahnten sich einen Weg durch Zweige und Nadeln. Das Wispern wurde zu einem Prasseln und das Prasseln zu einem harten, wütenden Trommeln.
Moa schlug die Kapuze ihres Umhangs hoch und stapfte mit gesenktem Kopf weiter. In ihrem Mund war der Geschmack von Blut. Sie spuckte aus, konnte jedoch nichts erkennen. Ihre Brust wurde eng. Was, wenn es nun nicht mehr aufhörte zu regnen? Sie presste die Kiefer fest aufeinander und bog einen Ast aus
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