Der Fluch des Koenigs
wartete, bis Vosha und ihre Anhängsel hinter der nächsten Biegung im Gang verschwunden waren, dann ließ sie unverzüglich nach Aeshin schicken. Sie hoffte, dass die junge Dienerin tatsächlich etwas gegen das Pochen zwischen ihren Schläfen unternehmen konnte.
Ihre Stirn massierend lief sie vor dem Feuer in ihren Gemächern auf und ab und versuchte verzweifelt die Stimme der Gräfin aus ihrem Kopf zu verbannen. Es gelang ihr erst, als sie sich auf einen der Sessel vor dem Feuer kauerte und die Gedanken an Joesin alles andere verdrängten. Den ganzen Vormittag über war er wie ein Geist bei ihr gewesen. Immer da, beinahe greifbar.
Bilder, in denen er tödlich verwundet von Dargaros durch die Wälder gejagte wurde, quälten Moa. Sie vergrub den Kopf noch tiefer in ihren Armen und umklammerte den Staubdiamanten in ihren Rockfalten. Acht Nächte und ein halber Tag waren vergangen, seit Dargaros sie aufgegriffen hatte. Joesin war irgendwo dort draußen und kämpfte um sein Leben.
Moa schloss die Augen und wie von selbst tasteten ihre Gedanken nach ihm.
Sie war zurück in der Hütte in den Bergen und riss die Pfeilspitze aus seinem Rücken. Die Wunde sah schlimm aus und blutete. Moa streckte ihre Hand aus. Ihre Finger berührten Joesins Rücken. Er fühlte sich heiß an, als brenne ein Feuer unter seiner Haut.
Joesin wandte ihr den Kopf zu. In seinen grünen Augen spiegelten sich Überraschung und Unglauben. „Moa?“, flüsterte er und ein Hauch von Furcht lag in seiner Stimme.
Sie lächelte. Ihre Fingerspitzen strichen über die Wunde. Wie durch Zauberei hörte sie auf zu bluten und schloss sich. Moa fuhr mit der Hand die Narbe entlang und sie verschwand vollkommen. Joesin seufzte erleichtert und senkte den Kopf.
Ohne zu überlegen beugte Moa sich vor und küsste seinen Nacken.
Kapitel 16
Ein Klopfen schreckte Moa aus ihrem Tagtraum. Mit hochroten Wangen setzte sie sich auf und glättete ihr Kleid. Sie konnte nicht glauben, was für Bilder sie heraufbeschworen hatte. Die unanständigen Geschichten der Gräfin mussten in ihrem Geist ein Eigenleben entwickelt haben.
Es klopfte erneut.
„Herein“, brachte Moa schließlich hervor.
Die Tür öffnete sich und Aeshin trat hindurch. In der Hand hielt sie ein Tablett mit einer dampfenden Schüssel, Brot und Gemüse. Sie kam zu Moa hinüber und stellte das Tablett vor ihr auf den Tisch.
Moa würdigte die Speisen keines Blickes. Ihre Augen waren auf Aeshin gerichtet. Diese junge Frau kannte Joesin und konnte ihr etwas über ihn erzählen.
„Habt Ihr keinen Hunger, Prinzessin?“, fragte Aeshin erstaunt.
„Nein.“ Moa schüttelte den Kopf. „Erzähl mir von Joesin.“
Erschrocken legte Aeshin einen Finger über die Lippen. „Nicht hier, Prinzessin.“ Sie sah zur Tür hinüber. „Wir sollten einen Spaziergang machen.“
„Gut“, Moa erhob sich, um ihren Umhang zu holen. In diesem Teil des Landes war der Spätsommer schon in den Herbst übergegangen, die Tage waren sonnig, doch es wehte ein kalter Wind von Nordwesten. Sie legte den Umhang um ihre Schultern. „Wo gehen wir hin?“
Aeshin lächelte über Moas Eifer. „Es gibt einen Garten, in dem wir nicht belauscht werden können. Königin Aloees Rosengarten.“
„Perfekt“, sagte Moa und strebte an Aeshin vorbei zur Tür. „Lass uns gehen.“
„Allerdings ...“
Moa blieb stehen und drehte sich mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht zu Aeshin um.
„Ihr solltet vielleicht Gräfin Voshas Namen erwähnen, oder den der verstorbenen Königin, wenn Ihr die Wachen überzeugen wollt, Euch aus diesen Gemächern herauszulassen.“
„Was?“ Zweifelnd blickte Moa zur Tür. „Weshalb?“
Aeshin zuckte lediglich mit den Schultern, schritt an ihr vorbei und zog mit schwungvoller Bewegung die Tür auf.
Die Wachen, die links und rechts davor postiert waren, sahen sofort auf und kreuzten ihre Speere vor Moas Gesicht. Sie runzelte die Stirn und musterte die zwei unterschiedlichen Männer. Derjenige zu Moas linken war ein greiser Mann, der kaum mehr fähig schien, seinen Speer zu halten, wohingegen der andere kaum älter sein konnte als vierzehn. Der erste Flaum eines Bartes zeigte sich auf seiner Oberlippe. Waren dies Voshas Männer, die Dargaros Aschejäger ersetzen sollten?
„Ich werde einen Spaziergang machen“, verkündete Moa in ihrer königlichsten Stimme, bevor einer von ihnen etwas sagen konnte.
Verblüfft sahen die Wachen zuerst sie und dann Aeshin an. „Verzeiht, Prinzessin“, setzte der
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