Der Fluch des Koenigs
aus, hob den Kopf, um besser an Rachs Flügeln vorbeispähen zu können. Erschrocken schrie sie auf. Der Greif glitt kurz über den Baumkronen der Kiefern entlang, die sich überall unter ihnen ausbreiteten. Die Krallen von Rachs Pranken berührten beinahe die oberen Äste der Bäume und die Wolken hingen so tief, dass man kaum zwanzig Meter weit sehen konnte. Um nicht in Panik zu geraten, redete Moa sich ein, dass der Greif bestimmt eine viel bessere Sinne hatte als sie. Rach wusste, was er tat.
Doch die Flügelschläge des Greifen wurden immer mühsamer. Moa konnte förmlich spüren, wie die letzte Kraft aus dem mächtigen Tier herausfloss. Wenn sie nicht bald einen Platz zum Landen fanden, würden sie abstürzen.
Regen und Wind nahmen zu, peitschten durch die Wipfel der Kiefern und nahmen Moa die Sicht. Mit zitternder Hand wischte sie sich das Wasser aus den Augen und suchte angestrengt nach einer Lichtung, einem Felsplateau, irgendetwas, das sie und den Greifen vor einem tödlichen Absturz bewahren könnte. In der Ferne grollte Donner. Ein Blitz zuckte einer Lanze gleich über den Himmel.
Plötzlich endete der Wald vor ihnen und das Gelände fiel abrupt in eine Schlucht ab. Es kam Moa vor, als schwebe sie über dem gähnenden Maul eines Ungeheuers. Der Greif stieß ein Kreischen aus und flog eine solch scharfe Kurve, dass Moa ohne seine Vorwarnung beinahe den letzten Halt verloren hätte.
Links und rechts von ihr schlugen Rachs Flügel weit auf, wie die gespannten Segel eines Schiffes. Die Stämme der Kiefern, die den Abhang säumten, kamen mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu. Vor ihrem geistigen Auge sah Moa, wie sie und der Greif an den hohen Stämmen der Bäume zerschellten. Alles, was sie tun konnte, war die Augen fest zusammenzukneifen und sich an Rachs Gefieder festzuklammern.
Der Aufschlag raubte ihr schier den Atem. Sie spürte, wie der Greif mit der linken Seite gegen einen Widerstand prallte. Doch kurz darauf waren seine starken Beine in Bewegung und er preschte durch den Wald.
Für lange Zeit übertönte das heftige Pochen ihres Herzens all ihre Gedanken. Moa war nicht fähig sich zu rühren. So sehr sie es auch versuchte, sie konnte ihre Glieder einfach nicht dazu bringen ihre krampfhafte Umklammerung zu lockern. Doch sie wusste, dass Rach in Bewegung war und vertraute auf seinen Instinkt. Nach einer Weile ergab sich ihrer Erschöpfung und ließ sich von seinen regelmäßigen, kraftvollen Bewegungen in den Schlaf schaukeln.
Kapitel 21
Aeshin hatte die Knie angezogen und hielt die Händen auf ihre Ohren gepresst. Das strenge Haarnetz hatte sie von sich geworfen, um wenigsten den Vorhang ihres Haares zwischen sich und Caruss Foltermeistern zu haben. Die kalten Eisenstangen des Käfigs gruben sich in ihren Rücken und bildeten einen scharfen Kontrast zu dem Feuer, das in ihrem linker Seite wütete.
Sie war den Tränen nahe. Es gab so vieles, um das es sich zu sorgen galt, doch das einzige woran sie denken konnte, war die Angst, dass ihre Rippen gebrochen waren, dass die Alchemisten kommen würden, um auch sie zum schreien zu bringen und die wilde Hoffnung, Alawas würde sie aus diesem Alptraum retten.
Die Luft war stickig und heiß wie in einem Backofen. Schon jetzt brannte ihre Kehle vor Durst und ihre Lippen waren aufgeplatzt und wund. Aeshin atmete angestrengt ein und aus. Sie musste sich ablenken, wenn sie die kommende Nacht und den Tag mit gesundem Verstand überstehen wollte.
Man hatte sie in einen Käfig nahe am Eingang der Kerker gesteckt. Neben ihr befanden sich etwa zehn Verdammte hier unten und zwei Alchemisten. Tagsüber folterten sie, bei Nacht hielten sie ihre Opfer am Leben, um sie auf die Tortur am nächsten Tag vorzubereiten. Ihre Schreie waren zu hilflosem Stöhnen abgeklungen. Es hallte durch die unterirdische Höhle wie verlorene Geister.
Aeshin hatte nicht gewagt die Gefangenen anzusehen, aus Angst ein Gesicht zu entdecken, dass sie von den Klippen kannte.
Wenn sie die Augen öffnete, sah sie lediglich ihre Knie und den Schleier ihrer Haare darüber. Ihre Welt war eine winzige Bühne. Alawas hatte sie einmal mit offenem Haar gesehen. Während einer ihrer Kampfstunden hatte sich das Netz gelöst und die braunen Locken waren Aeshin in wilden Wellen über den Rücken gefallen. Sie konnte sich noch genau an den Blick des Prinzen erinnern. Er war ihr direkt unter die Haut gegangen. Das war der Tag gewesen, ab dem der Prinz sie nicht mehr als bloße Verbündete betrachtete
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