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Der Fluch des Lono (German Edition)

Der Fluch des Lono (German Edition)

Titel: Der Fluch des Lono (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Pessimismus zu teilen, was das Fischen betraf, trotzdem behielt er immer ein Auge auf die Angelschnüre. »Ich bin nun mal der Erste Maat«, erklärte er, »und ich besitze meinen Profistolz.« Ich hatte fast vergessen, dass er zum engen Kreis lizenzierter Charterkapitäne gehörte, die an der Kona-Küste die einzig echte Elite bilden. »Im Ozean sind wir alle gleich«, betonte er. »Das ist ein alter Surfer-Spruch, aber irgendwie ist da was dran.«
    Ich stimmte zu. Zwischen uns herrschte die stillschweigende, für diese Seefahrt geltende Übereinkunft, dass jeder von uns beiden fähig sein müsste, das Boot wieder sicher in den Hafen zu steuern, falls Captain Steve aus irgendeinem Grund ausfallen sollte.
    Ackerman fühlte sich auf dem Boot offenbar wie zu Hause. Er wusste, wo alles seinen Platz hatte und warum, und ihn schien so gut wie nichts zu überraschen. Ich hatte ihn spontan eingeladen, aber erst, nachdem Steve mehrmals erwähnt hatte, sie seien »ziemlich enge Freunde«.
    Von Fischen keine Spur. Wir zuckelten den ganzen Weg an der Küste entlang, aber die einzigen Lebenszeichen, die wir im Meer zwischen Kailua und South Point beobachten konnten, stammten von einer Schule Meeresschildkröten und einigen Vögeln. Es war ein langer heißer Törn, und spätnachmittags brabbelten wir alle drei nur noch bierselig daher.
    Kurz vor Sonnenuntergang fuhren wir schließlich um die Spitze nach South Point. Während der Fahrt entlang der Kona-Seite der Insel war die See bereits rau gewesen, aber nichts im Vergleich zu dem, was uns jetzt erwartete.
    Die See türmte sich so hoch und wütete so ungestüm, dass wir nur fassungslos staunen konnten. Worte waren nicht nötig. Wir hatten unseren Hurrikan gefunden, und vor dem gab es kein Entrinnen.
    Bei Sonnenuntergang stieg ich auf Gin um, und Ackerman brachte ein Glasfläschchen mit weißem Pulver zum Vorschein, das er sich von der Spitze eines Zehner-Angelhakens in die Nase zog. Anschließend bot er mir das Fläschchen an.
    »Passen Sie auf«, sagte er. »Das Zeug ist nicht das, wofür Sie es halten.«
    Ich musterte das Fläschchen, studierte den Inhalt und suchte auf Deck festen Halt mit den Füßen, als das Boot plötzlich Schlagseite bekam und auf einen Wellenkamm gehoben wurde.
    »Das ist China White«, erklärte er und griff nach der Rückenlehne des Fighting Chair, während wir ins Wellental hinabrauschten.
    Großer Gott, dachte ich. Ich bin hier draußen mit Junkies. Das Boot rollte, und ich verlor auf dem nassen
Deck das Gleichgewicht, ein Glas Gin in der einen und ein Fläschchen Heroin in der anderen Hand.
    Ich ließ beides fallen, als ich an Ackerman vorbeirutschte und mich an der Leiter festklammerte, um nicht über Bord zu gehen.
    Flink wie eine junge Kobra hechtete Ackerman nach dem Fläschchen und bekam es zu fassen, nachdem es einmal aufgeprallt war. Doch es war bereits nass geworden, und er betrachtete es voller Widerwillen. Dann warf er es ins Meer. »Scheiß drauf«, sagte er. »Ich mochte das Zeug sowieso noch nie.«
    Ich zog mich zum Stuhl und setzte mich. »Ich auch nicht«, stimmte ich zu. »Schlägt mir immer auf den Magen.«
    Sein finsterer Blick streifte mich, und ich stemmte die Füße auf Deck, da ich nicht wusste, was zu erwarten war. Es ist ein schlimmer Affront, anderer Leute Heroin fallen zu lassen  – besonders weit draußen auf See, wenn gerade ein Sturm aufkommt  –, und so gut kannte ich Ackerman ja nicht. Er war ein hoch aufgeschossener Kerl mit den lockeren Muskeln eines Schwimmers, und sein flinker Hechtsprung nach dem hüpfenden Fläschchen hatte mich ziemlich beeindruckt. Ich wusste, er könnte mich jederzeit mit dem Fischhaken erwischen, bevor ich die Leiter erreicht hatte.
    Ich widerstand dem Impuls, Captain Steve zu alarmieren. Waren sie vielleicht beide Junkies?, fragte ich mich, immer noch auf der Kante des weißen Kunstlederstuhls hockend. Und was sind das für Hochseeangler, die China White zur Arbeit mitbringen?
    »Ist eine gute Droge für den Ozean«, sagte Ackerman, als hätte ich laut gedacht. »Oft erweist sie sich als letzte Rettung davor, die Kunden zu erwürgen.«
    Ich nickte und dachte an die lange Nacht, die vor uns lag. Wenn der Erste Maat routinemäßig zur Cocktailstunde Junk schniefte, worauf mochte der Captain abfahren?
    Mir dämmerte, dass ich keinen von beiden so recht kannte. Sie waren Fremde, und jetzt war ich mit ihnen auf einem Boot gefangen, 20 Meilen vor dem westlichsten Rand Amerikas, bei

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