Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
Anstrengungen des Tages verhärteten Gesichter wie versteinert erscheinen. Sie führten keine tiefsinnigen Gespräche, während sie auf die Ankunft von Luhaine und Kharadmon warteten, die sich von der Methinsel aus auf den Weg zu ihnen gemacht hatten. Manche Themen wurden an diesem Abend gemieden. Keiner der Zauberer, die nach den Rückschlägen durch Desh-Thiere und Daviens Rebellion noch im Besitz ihrer physischen Leiber waren, mochte die Plätze zählen, die in dieser Nacht leer bleiben würden. In besseren Jahren, bei anderen Zusammenkünften, war die ganze Bruderschaft der Sieben um den Ebenholztisch versammelt gewesen, ebenso wie die fünf Hohekönige und jeweils ein Repräsentant der paravianischen Rassen. Damals hatten Schüler der Magie niemals eine Verantwortung tragen müssen, die ihre Fähigkeiten überstieg, und der Nebel hatte sich nicht erdrückend über die fruchtbare Erde gelegt.
Auf der Suche nach seinem gewohnten Trost durchwühlte Sethvir seine Regale nach Tee, als Traithes Rabe, aufgeschreckt durch einen plötzlichen Luftzug vom Ostfenster aus, die Flügel spreizte und aufgeregt flatterte. Mit dem Luftzug drang der unverkennbare Geruch von rauhreifüberzogenen Grassteppen herein.
Die Hände voller Geschirr, wandte sich Sethvir scheinbar an die pure Luft. »Kharadmon? Du bist hoffentlich nicht zu müde, ein Bild zu entwerfen. Der Wahnsinnige Prophet wird es dir sicher danken.«
Als der Luftwirbel sich schließlich legte, hallte ein kehliges Lachen durch das Turmzimmer. »Wo ist Dakar?« fragte in volltönendem Paravianisch eine Stimme, die an einem Punkt innerhalb des Raumes ihren Ursprung hatte.
Allmählich erschien ein Schatten, der langsam die schmächtige Gestalt eines Zauberers in einem Zobelmantel annahm. Der mit orangefarbener Seide gefaßte Mantel fiel elegant über den Rücken des Mannes, und das Gesicht unter der Kapuze glich einer schelmischen Anordnung von Falten, unterstrichen durch einen kleinen Bart, ein selbstsicheres Lächeln und eine krumme Nase. Die Erscheinung hob die schlanken Hände und schob die Kapuze zurück, unter der ein Schwall schwarzweiß gestreiften Haares zum Vorschein kam. Nicht mehr länger im dunkeln, erwiesen sich seine Augen als fahlgrün und klar wie die einer Katze. Die optische Projektion des entleibten Zauberers blickte die versammelte Gesellschaft an, ehe sie mit vollkommen veränderter Stimme noch einmal fragte: »Wo ist Dakar?«
»Unterwegs«, entgegnete Asandir mit einem spitzbübischen Grinsen. »Ich fürchte nur, es geht ihm nicht besonders gut. Sethvir hatte Cidre im Schrank, und unser Prophet hat ihn ausgetrunken, um die Qualen der Erschöpfung zu lindern.«
Kharadmons Grinsen wurde breiter und entblößte eine Reihe ebenmäßiger Zähne, während die Augen in seinem Antlitz, das keinerlei reale Substanz besaß, einen wahrhaft teuflischen Ausdruck annahmen.
Zwei Stockwerke unter dem höchstgelegenen Raum des Althainturmes schrak der Wahnsinnige Prophet aus seiner traumlosen Bewußtlosigkeit hoch und schlug mit dem Knie gegen Sethvirs Schachtisch. Die Figuren aus Ebenholz und Elfenbein purzelten zu Boden, und das Klappern der Spielfiguren vermischte sich mit Dakars unwirschen Verwünschungen.
»Beim Wagen des Dharkaron!« Er fuhr von dem Lehnstuhl hoch, der seinen unzeitigen Schlaf gestützt hatte, schlug erneut gegen den Tisch und glitt nach einigen unsicheren Schritten auf den herumrollenden Figuren aus, ehe er schließlich kopfüber nach vorn stürzte, das Gestell eines Schürhakens zu Fall brachte und mit dem Bauch auf einem Fußschemel landete.
»Oh gnädiger Ath«, keuchte er, als die Luft pfeifend aus seinen Lungen entwich. »Ich komme!«
Augenblicke später wurden die Zauberer im Turmzimmer von dem donnernden Aufprall eines schweren Körpers an der eisenbeschlagenen Tür aufgeschreckt. Das Schloß ächzte zwar, ging aber nicht auf.
Erst nach einer Weile des Fummelns und Fluchens, riß Dakar die Tür auf und stürzte mit purpurrotem Gesicht in das Zimmer.
»Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte.« Der Wahnsinnige Prophet lutschte an einem angeschlagenen Knöchel, zupfte an seiner unordentlichen Tunika herum und bedachte Asandir mit einem wütenden Blick. »Es war schlimm genug, daß Ihr mir einen Alptraum geschickt habt. Ihr hättet nicht auch noch das Schloß verzaubern müssen.«
Ein wenig verärgert, jedoch nicht wirklich erzürnt, packte Sethvir sein Geschirr fester, während der angegriffene Zauberer sich nicht
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