Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
Pagen, der ihm sein Zepter reichen wollte, als hätten die Menschen, die die Halle bevölkerten, für ihn ganz plötzlich zu existieren aufgehört. Endlich hob sich seine Brust unter einem Atemzug und er antwortete: »Was will Rauven tun, wenn ich mich weigere?«
Die Königin schenkte ihm ein sanftes, geheimnisvolles Lächeln, das den König für alle Zeiten in seinen Träumen heimsuchen sollte. »Du sollst lernen zu bedauern, mein König. Töte Arithon, und du wirst Lysaer ermorden. Verstümmele ihn, und du wirst deinen eigenen Nachkommen ebenso zum Krüppel machen.«
Erschrocken über sein eigenes Verstehen, duckte sich der Kronprinz an der Wache vorbei, stürzte die Stufen zu dem Podium empor und kniete sich zu seines Vaters Füßen nieder. »Dieser Zauber ist vielleicht gar keine Drohung aus Rauven, sondern eine List dieses Bastards.«
Seine Worte blieben unbeachtet. Der König wollte keinen Rat annehmen. Statt dessen antwortete er seiner ehemaligen Gemahlin, und seine Stimme bebte vor Haß. »Und wenn deine verfluchte Brut unbefleckt bleibt?«
»Dann wird es auch dem Kronprinzen von Amroth Wohlergehen.« Wie ein Schatten im Licht der Sonne verschwand das Bild der Königin.
Zornig runzelte der König die Stirn. Mit überraschender Wucht entriß er dem Pagen sein Zepter, während die versammelten Höflinge in drohendes, wütendes Gemurmel ausbrachen. Wie vom Donner gerührt stand Lysaer inmitten des Aufruhrs und widmete seine ganze Aufmerksamkeit dem Anblick Arithon s’Ffalenns, der plötzlich gar nicht mehr heimtückisch wirkte. Überraschung und eine Emotion, die Lysaer nicht zu deuten wußte, zeigten sich kurz auf dem zerschlagenen Gesicht des Gefangenen. Dann packte ein Hellebardier Arithons wunde Schulter, und er wurde rüde wieder in die Gegenwart zurückgerissen.
»Dreh dich um und höre das Urteil, Bastard«, herrschte ihn der Gardist unfreundlich an.
Der Raserei nahe, hatte Lysaer doch keine andere Wahl als zuzuhören. Keiner der Berater machte sich Gedanken darüber, ob dieser Geist eine Schliche des Herrn der Schatten oder ein Ultimatum aus Rauven war, aber die meisten schienen furchtbar enttäuscht zu sein, daß die Vendetta, die sich nun über sieben Generationen hingezogen hatte, in einigen wenigen Sekunden beendet werden konnte.
Der König beugte sich vor und begann zu sprechen: »Arithon s’Ffalenn, für das Verbrechen der Piraterie und zur Vergeltung für sieben Schiffe und die Leben der Besatzungsangehörigen wirst du verurteilt, dein Leben im Exil auf der Insel der Verbannung jenseits des Tores zu verbringen.« Mit wütend zusammengepreßten Lippen klatschte der König in die Hände. »Bringt den Bastard zurück in den Kerker, bis wir eine Eskorte und ein Schiff bereitstellen können. Sorgt dafür, daß er mir nie wieder unter die Augen kommt.«
Die Gardisten, die Arithons dunklen Schopf überragten, traten näher. Mit den Waffen in Händen beeilten sie sich, den Gefangenen durch die dichte, stille, aber aufgebrachte Menschenmenge zu führen, deren Hunger nicht gestillt worden war. Lysaer war voller Unbehagen. Eine Begnadigung gleich welcher Art war noch den Bruchteil eines Augenblicks zuvor unmöglich erschienen. Von der plötzlichen Besorgnis ergriffen, daß sich die Ereignisse ganz nach den Wünschen des Herrn der Schatten entwickelt haben könnten, nahm Lysaer all seinen Mut zusammen und berührte seinen Vater am Ärmel.
»War das weise?« Seine blauen Augen studierten das Gesicht des Königs, während er betete, ohne Vorurteil angehört zu werden. Was auch immer das Verbannungstor passierte, kehrte niemals zurück. Nicht einmal die Zauberer konnten das Rätsel erklären, und Rauvens Macht war groß. »Was, wenn Arithons Exil auch das meine sein wird?«
Der König bedachte seinen erstgeborenen Sohn mit dem blonden Haar, der ihn in diesem Moment nur an die verräterische Zauberin erinnerte, die ihn geboren hatte, mit einem gehässigen Blick. »Ich denke, diese Erscheinung war nur ein Trick, der der List dieses s’Ffalenn entsprungen ist?«
Der Prinz trat bestürzt zurück. Seine Warnung war also vernommen worden; doch dieser Augenblick war vergangen, das Urteil gefällt. Es würde ihm nicht viel bringen, zu erklären, was doch so oder so schon ignoriert worden war. Still verbeugte sich der Prinz und ging davon.
Die bitteren Worte des Königs folgten ihm. »Sei unbesorgt, mein Prinz. Rauvens Bedingungen werden Beachtung finden. Der s’Ffalenn-Bastard wird uns unverletzt
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