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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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sein Gesicht freizubekommen, doch auch die freie Sicht brachte ihm keinen Vorteil. Hoch über seinem Kopf sah er den abbröckelnden Bogen eines alten Steinportals. Zwischen den Pfosten schimmerte ein silbriger Film, schimmernd wie heißes Öl auf einer Glasplatte. Die Nähe der übernatürlichen Kräfte verursachte Lysaer eine Gänsehaut. Voller Schrecken und Furcht erkannte der Prinz das Verbannungstor.
    Er kämpfte verzweifelt. Zu spät war ihm die Notwendigkeit zu fliehen zu Bewußtsein gekommen. Seine Feinde hoben ihn mit unbarmherziger Kraft in die Höhe und warfen ihn mit dem Kopf voran mitten hinein in diese Perlmuttwelt, deren Berührung kalt und schmerzhaft war. Lysaer schrie auf. Dann zerfetzte der Schock des Kontaktes mit der gewaltigen Energie des Tores sein Bewußtsein, und er fiel in eine bodenlose Dunkelheit.
     
    Der Kronprinz von Amroth erwachte in dem beißenden Brennen unerträglicher Hitze. Bei jedem Atemzug trocknete bitterer Staub auf dem zarten Gewebe seiner Nasenschleimhäute; fremde Finger tasteten nach ihm, so schnell und verstohlen wie die Pfoten einer Ratte. Lysaer bewegte sich. Die suchenden Hände hielten still und zogen sich zurück, als der Prinz die Augen öffnete.
    Licht stach in seine Pupillen. Er blinzelte und erkannte durch die grausamen Lichtreflexe hindurch die Klinge seines eigenen Dolches. Darüber starrten die Augen Arithon s’Ffalenns abschätzig auf ihn herab.
    »Dieses Mal sind unsere Positionen ausgeglichener, Bruder.« Die Stimme des Bastards klang rauh, als hätte er sie lange nicht benutzt. Sein Gesicht, die Hände und die Schulter unter dem zerrissenen Hemd waren mit Wunden übersät. Noch immer waren die purpurfarbenen Blutergüsse der Mißhandlungen zu sehen.
    Grob aus seiner Lethargie gerissen, richtete sich Lysaer unbeholfen auf. »Worauf wartest du dann noch? Oder hast du gehofft, ich würde um mein Leben betteln, ehe du mir die Kehle durchschneidest?«
    Die Waffe lag ruhig in Arithons Hand. »Erwartest du von mir, das Blut eines Bruders zu vergießen? Das bringt nichts Gutes.«
    Die Worte an sich waren nichts als Hohn in Lysaers Ohren. Eine Einöde aus Dünen zog sich bis zum Horizont. Weit und breit gab es keine Orientierungspunkte, keine Behausungen, nur roten, grobkörnigen Sand, der sich unter der flirrenden Hitze wölbte. Kein Strauch, kein Baum, nicht einmal ein Kaktus bot ihnen Schutz vor den unerbittlichen Strahlen weißen Sonnenlichtes. Das Hinterland des Tores sah tödlich kahl aus. Starr vor Kummer darüber, daß die Rachsucht seinen Vater die Sorge um seinen Erstgeborenen hatte vergessen lassen, klammerte sich Lysaer verzweifelt an seine Würde. Erschüttert von dem Gedanken, daß er Amroth, seine Verlobte, all seine Freunde und die königliche Ehre, die sein ganzer Stolz und all seine Motivation gewesen war, für immer verloren haben könnte, sog er die Luft zu einer eisigen Entgegnung in seine Lungen. »Bruder? Ich entstamme keinem Piratengeschlecht.«
    Der Dolch zuckte. Gleißendes Sonnenlicht spiegelte sich auf der Klinge, doch Arithons Tonfall blieb geradezu unmenschlich distanziert. »Unsere unterschiedliche Herkunft macht nun kaum noch etwas aus. Keiner von uns kann nach Dascen Elur zurückkehren.«
    »Das ist eine Lüge!« Lysaer verweigerte sich dem Gedanken, den Rest seines Lebens in diesem Exil verbringen zu müssen, und flüchtete sich in Feindseligkeit. »Die Zauberer von Rauven werden nicht erlauben, daß ein von ihnen begünstigter Enkelsohn in der Wüste verdorrt. Sie werden das Tor umkehren.«
    »Nein. Sieh es dir nur an.« Arithon drehte den Kopf zu dem eisernen Portal um, das sich hinter ihm erhob. Dort schimmerte kein Hauch des Lebens, die rostigen Pfeiler umrahmten nur eine Einöde. Die Sicherheit verschwand. Dieses Tor mochte wahrhaftig tot sein, vor Jahrhunderten gegen eine vergessene Gefahr versiegelt und jenseits der Macht der Magier von Rauven. Lysaer kämpfte gegen das vernichtende Gefühl der Panik an. Das einzige, lebende menschliche Wesen, dem er die Schuld an seinem Schicksal zuweisen konnte, war der s’Ffalenn-Bastard, der sich wachsam hinter einer scharfen Klinge verkroch.
    »Du kannst mir viel erzählen. Rauven hat dich immerhin vor der Exekution gerettet.« Er unterbrach sich, verstört durch einen anderen Gedanken. »Oder hast du deine Schatten zu dem Bild der Königin verwoben, um selbst Rache zu nehmen?«
    Wie ein Spiegel lag die Klinge in den schmutzigen Fingern, als Arithon stolz erwiderte: »Die Erscheinung

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