Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
erstarb auf seinen Lippen, noch ehe eine Melodie erkennbar wurde. Der Feuerschein flackerte über gebieterische Züge und die Falten einer gesäumten Tunika. Asandir stand am Kamin, imposant wie eine Granitstatue.
»Nun?« Dakar ließ Käse, geräucherte Wurst und ein wirres Durcheinander aus runzligem Gemüse auf den Tisch des Holzfällers gleiten, ehe ihn der Gedanke an seine zuvor übellaunig geäußerten Worte zusammenfahren ließ. »Wie lange wartet Ihr schon?«
»Nicht lange«, entgegnete der Zauberer in gleichmütigem Tonfall.
Dakar verbarg sein Schaudern, indem er sich lautstark an einem Schrank zu schaffen machte. Er wußte wohl, daß Asandir ihm nicht das leiseste Entgleiten seiner Zunge vergeben würde. Mit halsstarriger Konzentration zückte der Wahnsinnige Prophet ein Messer und begann, Pastinak zu schneiden. Gleich darauf schrie er auf und preßte einen verletzten Finger an seine Lippen.
Asandir schien nichts davon zu bemerken. »Bei Daelions Rad, was hast du mit deiner Prophezeiung nur für ein Durcheinander gesponnen.«
Dakar ließ verwundert die Hand sinken. Keine versteckte Andeutung wies auf eine mögliche Bestrafung seiner Frechheit hin. Asandir schien mit all seiner Komplexität und seiner furchteinflößenden Macht, die allen Bruderschaftsmitgliedern gegeben war, ganz anderweitig beschäftigt zu sein. Da er sich nicht aufregen wollte, versuchte Dakar es mit einer Frage. »Und, wollt Ihr mir nun erklären, warum ein Diener ein paravianisches Schwert trägt?«
So verärgert wie überrascht zog Asandir die Augenbrauen hoch. »Mehr ist dir nicht aufgefallen? Besser, du siehst noch einmal genauer hin.«
Dakar vergaß seinen Hunger und ließ das Gemüse liegen. Noch immer lag das Schwert neben dem Kamin auf dem Boden, und der Edelstem glitzerte wie farbiges Eis zwischen den Lumpen. Der Wahnsinnige Prophet hatte zuvor die Rune übersehen, die in die Oberfläche des Smaragdes eingraviert worden war. Nun runzelte er angesichts dieses Anblicks die Stirn über seinem feisten Gesicht. Geistesabwesend mit dem blutenden Daumen auf seine Tunika pochend, trat er näher. Nein, dachte er, unmöglich. Begierig, sich zu vergewissern, schloß er seine schwitzenden Hände um den kühlen Stahl und zog.
Mit einem dissonanten Klang glitt die Waffe aus der Scheide, und das Licht der Flammen umspielte die Einlegearbeit, die sich über die ganze Klinge zog. Der Stahl selbst jedoch war so dunkel wie Rauchglas.
Dakars Wangen verloren jede Farbe. »Nein!« Ungläubiger Schrecken ergriff von ihm Besitz, während er die Buchstaben las, die in die Querstange eingelassen waren. Mit diesem unwiderlegbaren Beweis konfrontiert, wirbelte er herum und blickte Asandir an. »Ath! Das ist Alithiel, eines der zwölf Schwerter, die in Isaer aus den Bruchstücken eines herabgefallenen Sterns geschmiedet wurden.«
»Das sollte dich nicht überraschen«, entgegnete Asandir. »Arithon ist ein Teir’s’Ffalenn.«
Verblüfft über diesen Titel, der soviel wie Nachfolger und Erbe bedeutete, rief Dakar: »Was!« Anklagend sah er zu, wie Asandir das verhedderte Zaumzeug zur Seite schob und sich auf den Stuhl setzte.
»Das hättet Ihr mir doch wenigstens sagen müssen. Ich würde gerne darüber informiert sein, wenn sich eine meiner Prophezeiungen als falsch erweist.«
»Die Prophezeiung über das Westtor trifft zu.« Asandir atmete tief durch. »Dank sei Ath, sie tut sogar mehr als das.« Dieses Mal gelang es Dakar, sich weit genug zu zügeln, um zu schweigen.
»Du hast vorhergesagt, daß der Nebelgeist gebannt werden würde, und das ist richtig, aber dem liegt eine Verirrung zugrunde, die auf den Gesetzen des Großen Gleichgewichtes beruht.« Asandir sah auf, und sein Blick war trübe. »Unsere Prinzen sind Halbbrüder durch eine s’Ahelas in der weiblichen Linie. Die Machtaffinität, die Sethvir einst in diesem Geschlecht verankert hatte, hat sich unkontrolliert in Dascen Elur ausgeweitet, bis schließlich eine direkte Macht über die Elemente bereits auf die ungeborenen Kinder übertragen wurde, und das alles nur wegen einer Mitgift.«
Dakar schluckte und mußte feststellen, daß sein Gaumen völlig trocken war. Ein halbes Jahrhundert hatte er bereits unter der Anleitung Asandirs gelernt, ehe er auch nur die grundlegenden Techniken der Illusion beherrscht hatte. Von der Herrschaft über die Elemente war er noch immer weit entfernt, und eine solche Macht wurde nur durch die Vorstellungsfähigkeit ihres Beherrschers begrenzt.
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