Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
schroffen Felswänden umher.
Und das Moos, das den Pfad mit dichten Kissen bedeckte, war zu pergamentartiger Trockenheit ausgedorrt. Bäume hatten sich in vom Feuer zerfressene Skelette verwandelt, während die Schlucht vor ihnen nur mehr eine von schwarzer Asche überzogene Steinwüste war.
Der Gestank vergiftete die Luft.
Im Inneren der Ode, in der die Zelte gestanden hatten, kniete, gleich einer geisterhaften Silhouette, ein Mann am Boden.
Zischend sog Caolle die Luft zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hindurch ein. Seine Messerhand hob sich, und wurde gleich darauf von Halliron am Wurf gehindert.
Sonderbar gedämpft erklangen seine eindringlichen Worte: »Nicht. Das ist kein Feind.«
»Seine Hoheit, der Prinz von Rathain. Ich sehe es.« Dennoch wich die Spannung nicht aus Caolles Arm. »Bei Ath, ich könnte ihn wirklich umbringen! Warum um alles in der Welt kümmert er sich um die Leichen, solange unsere Verwundeten noch nicht gefunden sind und leiden müssen?«
»Ihr mißversteht ihn, so wie Ihr es immer getan habt.« Der Meisterbarde löste seinen Griff von Caolles Arm und sprang so hastig zurück, daß der Clanhauptmann sich nach im umwandte.
»Und Ihr tut das nicht.« Caolle unterstrich sein Mißtrauen durch eine heftige Geste mit seinem Messer.
Halliron wich ihm nicht aus. Die nächtliche Brise zerzauste sein weißes Haar, und sein Gesicht, von tiefen Schatten durchzogen, blieb vollkommen ernsthaft. »Im Augenblick nicht, aber ich denke, es wird das beste sein, wenn wir Euren Herrscher nicht stören.« Dann, in beinahe ehrfürchtigem Tonfall, fügte er hinzu: »Es ist wie in Falmuir. ›Erlösen der Toten verwirrte Seelen, und schmücken ihr kaltes Fleisch mit Blumen.‹« Auf Caolles verblüfften, verärgerten Blick hin, sagte der Meisterbarde: »Prinz Arithon ist ein Zauberer, wißt Ihr was das bedeutet?«
»Wie sollte ich denn wohl?« Caolle wandte ihm die Schulter zu, und sein Profil hob sich scharf vor der Dunkelheit der rußgeschwärzten Schlucht ab. »Töten ist mein Handwerk, nicht übersinnliche Tricks mit Gift und Schatten.«
Und hinter der Härte des Hauptmanns erkannte Halliron die Gram über all die schmerzhaften Verluste, die sich messerscharf in seine Seele bohrte. Ein Clanführer war tot, ebenso wie Dania und ihre vier Töchter, die Caolle geliebt hatte, als wären es seine Frau und seine Kinder gewesen. Er fühlte sich in seiner Gegenwart beraubt, und vor ihm lag eine freudlose, öde Zukunft. Und eine schwierige Aufgabe mußte aus Liebe noch einmal gemeistert werden. Da war wieder ein kleiner Junge, der auf die Last vorbereitet werden mußte, eines Tages die Clans des Nordens zu führen. Erst Steiven selbst und nun, zu einem Zeitpunkt, da er alt und der Not müde war, Steivens verwaister Sohn.
Daß ein mürrischer Charakter wie Caolle verärgert darüber war, solchermaßen verlassen zurückzubleiben, konnte Halliron wohl verstehen. Dennoch durfte nicht zugelassen werden, daß dem Teir’s’Ffalenn alle Schuld an der Tragödie von Deshir zugeschoben wurde. Hier und jetzt in der Finsternis, inmitten verbrannter Erde, bedeckt mit den Toten der Schlacht, zog er sein Instrument aus der schützenden Hülle hervor.
»Ath, schon wieder Balladen?« schnappte Caolle. Er machte Anstalten, vorwärts zu stürmen, doch der Barde packte ihn sogleich am Handgelenk. Trotz seiner höfischen Haltung konnte Halliron äußerst gewandt sein, wenn es notwendig war.
»Ihr werdet ihn nicht anrühren«, sagte der Barde, wobei er auf den Mann deutete, der noch immer auf den Knien hockte und weder aufgesehen noch irgendwie anders zu verstehen gegeben hatte, daß er sie gehört hatte. »Setzt Euch, Caolle, und hört die Geschichte von Falmuir. Danach mögt Ihr tun, was Euch gefällt.«
Erschöpft gab Caolle schließlich nach. Zwar weigerte er sich zu sitzen, doch blieb ihm keine Wahl, als zuzuhören, wie es ein jeder Mann mußte, wenn ein Minnesänger von Hallirons Format seine Kunst zum Besten gab. Für einen Meisterbarden waren die Grenzen der magischen Wahrnehmung und der Musik zu einem einzigen Strang miteinander verflochten. Die Lyranthe war ein Werk paravianischer Magie, und unter so überragend kunstfertigen Fingern entfaltete sie einen Zauber, dem sich niemand entziehen konnte.
Schon bei den eröffnenden Akkorden wandte Caolle den Blick ab. Als die ersten Verse erklangen, bestand seine steife Haltung nur mehr aus Stolz und Täuschung. Als sich schließlich die Spannung der Hand, die das
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