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Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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fragend sein Kinn vorreckte. »Was, bei Sithaer, habt Ihr vor?«
    Im Davongehen antwortete Arithon ihm über seine Schulter hinweg in gleichmütigem Ton mit einem Zitat aus einer Ballade: »›Erlösen der Toten verwirrte Seelen, und schmücken ihr kaltes Fleisch mit Blumen.‹« Es war ihm gleich, ob er paravianisch gesprochen hatte; er war am Boden zerstört und konnte die Worte nicht übersetzen.
     
    Als sähe die Natur Licht als einen Fluch, war in dieser Nacht nach dem Angriff der Etarraner kein Mond über dem Strakewald zu sehen. Im fahlen Sternenlicht und dem flackernden Schein kleiner Fackeln schritten Caolle und die Überlebenden der Clans von Deshir über die Leichenfelder. Sie waren noch immer bewaffnet. Die stöhnende Gestalt am Boden mochte einem Verwandten gehören, doch ebensogut konnte es ein Feind sein; die Hand, die sich im Schlamm zu ihren Füßen bewegte, mochte um Beistand betteln, doch sie konnte auch einen Dolch halten, bereit, zuzustechen. Kundschafter, deren Urteilsvermögen von Müdigkeit niedergerungen war, kontrollierten Holzscheite, die wie gefallene Clankrieger aussahen, überprüften Rinnsale, die sich verschworen hatten, die Leiber ihrer Kameraden zu verbergen. Rufe hallten über Morast und Berghänge, Entscheidungen, geprägt von kaum zu lindernder Pein, mußten getroffen werden: Sollte nach einem Heiler geschickt werden, oder war es besser, unerträgliches Leid mit einem Gnadenstoß zu beenden?
    Jeder Einsatz des Messers unterstrich die Sorge, um die Anzahl derer, die noch übrig waren.
    So leise, wie nur ein Mann, der im Wald zur Welt gekommen und aufgewachsen war, sich durch dichtes Gestrüpp bewegen konnte, wachsam, um sich stets den Rücken freizuhalten, erblickte Caolle manchmal lebende Feinde, Männer, die seit Stunden durch Schluchten und Dickichte irrten, verloren, furchtsam und allein. Städter, außerhalb ihrer gewohnten Umgebung, die schreckhaft waren und ständig damit rechneten, die Strafe für ihre Taten erleiden zu müssen.
    Nachdem ein Tal durchstöbert war, erschienen die verbliebenen Schlachtfelder, die es zu durchsuchen galt, wie eine Qual für die Verdammten.
    Feuchte Kleider, stumpfe Klingen und Hände, deren überanstrengte Sehnen schmerzten, taten nichts dazu, Caolles trübe Stimmung zu verbessern. Er war schon über fünfzig Jahre alt, und diese Schlacht konnte selbst das Durchhaltevermögen der Jungen brechen. Als er sich nun über einen weiteren Leichnam in einem Kettenhemd, so neu, daß es noch ganz silbern leuchtete, beugte, verfluchte er die Laune des Schicksals, die ihn anstelle von Steiven am Leben gelassen hatte. Noch waren die verlorenen Freunde nicht gezählt, die dem Rad des Schicksals anheimgefallen waren, und niemand wollte die Zahl der Angehörigen benennen, die er in der Not mit seinem eigenen Messer hatte töten müssen.
    Vor ihm ragten die zerklüfteten Felsenklippen, deren schattige Hänge sich zum Eingang der Schluchten hin verengten, vor dem Himmel auf. Auf dem verbrannten Boden des dahinterliegenden Tales warteten keine Überlebenden mehr auf Hilfe, nur der Tod raschelte wie trockenes Papier im Wind. Caolle wandte sich zu Halliron um, der neben ihm ging: »Vielleicht wollt Ihr lieber umkehren.«
    Beschmutzt wie die Clanmänner, wenngleich in reichverzierte Seide gekleidet, die Lyranthe sicher über die Schulter geschnallt, antwortete der Meisterbarde: »Ich werde nicht gehen.« Er schob sich durch einen Hain niedriger Ahorngewächse. »Ihr solltet Euch nicht noch im nachhinein quälen.«
    Gepeinigt atmete Caolle ein. »Ich hätte zuhören sollen. Wir hätten uns verteilen und die Frauen an einem anderen Ort in Sicherheit bringen können.«
    »Die Männer wären dennoch tot, und die zerstörten Familien hätten kaum überleben können.« Mit stiller Gewißheit fügte Halliron hinzu: »Eure Kinder wären in Etarra umgekommen, das hat Arithon mir erzählt. Er sah, wie sie hingerichtet wurden, als er die Tienellevisionen hatte.«
    Wenig begeistert, daran erinnert zu werden, schob sich Caolle an ihm vorbei. »Bei Ath, wenn Ihr mir schon nachlaufen müßt, könntet Ihr wenigstens aufhören zu reden.« Die zähe Verläßlichkeit des Barden beeindruckte ihn dennoch. Zwar war er kein Krieger, doch er war stets zur Stelle, wenn er gebraucht wurde. Wenn er auch in diesem vom Feuer verzehrten Schlachthaus kaum etwas tun konnte, um den Verwundeten und Sterbenden zu helfen, so war doch seine uneingeschränkte Hilfsbereitschaft Grund genug, ihn mitgehen

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