Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
hatte, brachte keine Linderung; von dem Moment an, da der Wahnsinnige Prophet sich auf Wanderschaft begeben hatte, wurde der Tag auf unerträgliche Weise immer unangenehmer.
Südlich von Jaelot führte die Straße von der Küste fort landeinwärts. Im Osten zogen sich felsige Berghänge entlang, bedeckt von dichten Tannenständen, die sich gleich einer gerüschten Halskrause um die Gipfel des Skyshielgebirges legten. In Sommermonaten, wenn die Stürme nur milde über das Land zogen, zeigten sich die sanften Hügel im Westen unter einer Decke üppigen Weidelandes, vermengt mit sonnigen Heufeldern. Zwischen Talkesseln, dichtbebaut mit kleinen Gehöften, zog blühender Rittersporn blaue Spuren durch die dichten Gänseblümchenstände, während Schafgarbe Flecken gleich weißem Schaum auf den Weiden hinterließ. Unter dem weiten, wolkenlosen Himmel, über großflächigen, windgepeitschten Äckern mochte ein jeder Geist, der frei von beschwerlichen Pflichten war, sich übermütig an neugefundenem Frieden ergötzen.
Dakar jedoch vermochte sich nicht an den vielen Wegstunden herrlicher Landschaft zu erfreuen. Gegen Mittag brannten seine Augen, und seine Nase lief; Landluft war ihm noch nie besonders gut bekommen. Jeder Schritt, den er tat, erinnerte ihn daran, wie sehr er es haßte, zu Fuß zu reisen.
Das Nickerchen, das er sich gönnte, um sich zu erholen, wurde durch die diabolische Lage eines Ameisenhaufens zunichte gemacht. Kratzend und zuckend schlug er sie aus seinen Kleidern und suchte ersatzweise Zuflucht an einem kleinen Wasserlauf. Dort legte er sich behaglich zum Schlafen nieder, nur um dann, als er in der Dämmerung wieder erwachte, festzustellen, daß nahrungssuchende Bisamratten sein Bündel aufgerissen und auch den letzten Krümel seiner Vorräte verschlungen hatten.
Zu faul, auch nur zu bedauern, daß er keine Schutzbanne gesetzt hatte, derartige Übergriffe abzuwehren, ließ sich Dakar von einem Händler mitnehmen, der Kerzen und Bienenwachs auf seinem Wagen transportierte. Da die Hitze des Tages die Waren zerstören würde, reiste der Händler bei Nacht. Der Wahnsinnige Prophet tauchte in eine Nische hinter dem Kutschbock hinein, bereit, den neuesten Klatsch mit seinem Wohltäter auszutauschen.
Gegen Mitternacht, geschlagen von wohlerwogenen Schmeicheleien, ließ der Fahrer ihn an seinem Mahl aus Gerstenbrot und Schinken teilhaben. Frohgemut stopfte sich Dakar den Wanst voll, nur um sich alsbald stöhnend in Krämpfen zu winden.
Vermutlich war der Schinken verdorben gewesen. Weitaus zu gewandt, einen solchen Verdacht laut auszusprechen, verkrallte der Wahnsinnige Prophet schwankend die Hände in seiner Leibesmitte. »Das Flußwasser muß verseucht gewesen sein.«
Der Fahrer bedachte seine Ausrede mit den gleichen, unsinnigen, markigen Sprüchen, die er nutzte, seine Maultiere zu beruhigen. Viel zu sehr mit dem Elend beschäftigt, das wie weißglühende Kohlen in seinen Eingeweiden brannte, verpaßte Dakar den Augenblick, in dem das Mitgefühl seines Wohltäters in gebrüllte Verwünschungen umschlug.
Seine nächste deutliche Wahrnehmung war das Stechen trockener Grashalme, die sich in seine Wangen bohrten. Straßenstaub und der Geruch von Kresse brannten in seiner Nase und brachten ihn zum Niesen, eine Kleinigkeit, die seiner Erkenntnisfähigkeit auf die Sprünge half: Der lieblose Fahrer hatte ihn am Straßenrand ausgesetzt. Die lästige Schlußfolgerung trieb Dakar den Schweiß auf die Stirn. Er mochte an diesem Ort mit Leibschmerzen schmachten, bis die Krähen kämen, ihm die Augen auszuhacken, was nicht ganz dem Plan entsprach, mit dem er sich seinen Verpflichtungen gegenüber Asandir hatte entziehen wollen.
Von seinem Unwohlsein zu ermattet, sich darüber zu sorgen, schloß der Wahnsinnige Prophet die Augen. Welchen Nutzen hatte es schon, sorgte er sich um seinen Tod, da er sich doch ebensogut erfreulichen Träumen von heißblütigen Barmädchen und überschäumenden Krügen voll von gutem Bier hingeben konnte.
Statt dessen wurde er durch das grobe Eingreifen kräftiger Hände gestört, die ihn zuerst umdrehten, dann mit einem Griff, als wollten sie ihn foltern, in seine Achselhöhlen packten und ihn vom Boden aufhoben. Wie ein heftiger Schlag traf das Sonnenlicht auf seine Haut und seine Augen, während die Welt um ihn herum kopfstand und sich schwindelerregend drehte.
Nach einigen unzusammenhängenden Gedanken enträtselte er die Situation und erkannte, daß er sich in einer ausgesprochen
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