Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
nutzlosen Zweck. Ihr Kommando hatte es ihr zur Gewohnheit werden lassen, äußerste Vorsicht walten zu lassen, wann immer irgendein Schurke seinen Willen durchsetzen wollte, also zögerte sie nun, und sie war sich bewußt, daß ihre Mannschaft sie taxierte wie ein Rudel hungriger Wölfe.
Sie war vor ihren Männern herausgefordert worden, und zwar von einem Mann. Bereit, zuzuschlagen, sobald sie Schwäche witterten, warteten sie nun, um herauszufinden, ob ihr Kapitän Furcht zeigte.
Allein dieser Tatsache verdankte Arithon sein Leben.
»Du hast keinen Ärger verursacht«, erklärte Dhirken nach einer Weile. »Unannehmlichkeiten, vielleicht. Der Drache befindet sich noch immer in der Eltairbucht und ist keineswegs orientierungslos. Ich muß nur irgendwo Richtung Osten steuern, und wir werden die Küste finden.«
»Ja, aber wo?« Arithon spielte ihr Spiel mit wie ein geübter Falschspieler. »Die Polizei in Weißenhalt hat einen Preis auf Euren Kopf ausgesetzt. In Jaelot würde man Euch gefangennehmen und Euer Schiff beschlagnahmen, falls Ihr nicht in der Lage seid, die Geldbuße für nichtbezahlte Zölle zu entrichten. Und wie sähe es aus, wenn Ihr in Tharidor an Land gehen würdet? Ich kenne zwar die Missetaten der Drache nicht, aber der Hafenmeister dort sagt, er würde sich zufrieden in den Ruhestand zurückziehen, wäre ihm das Vergnügen vergönnt, Euch ohne Gerichtsverhandlung aufzuknüpfen.«
»Genug!« Fest entschlossen, sich nicht von seinem geschickten Umgang mit Worten und Gerüchten einwickeln zu lassen, zerrte sie mit der Linken einen Holzsplitter aus dem Ruderrahmen und begann, damit zwischen ihren Vorderzähnen herumzustochern. »Weder meine Geschichte noch meine Probleme werden dir noch das geringste bedeuten, wenn du erst tot bist«, sagte sie, das Holzstück noch immer zwischen den Zähnen. »Im Augenblick fällt mir kein Grund ein, warum ich dein loses Mundwerk nicht zum Schweigen bringen und dich den Fischen zum Fraß vorwerfen sollte.«
»Das könntet Ihr natürlich tun«, stimmte Arithon zu. »Besser wäre eine Wette. Wählt irgendeine Stadt, irgendeinen Ort in der Bucht oder an der Küste des Kontinents, den wir nun anlaufen sollen. Mit Hilfe der vergessenen Kunst der Navigation werde ich die Drache zu dem gewünschten Hafen steuern.«
»Zauberei!« Dhirken spuckte einen winzigen Fetzen Fichtenholz aus. »Dafür habe ich keine Verwendung.«
»Wissen«, konterte Arithon. »Stellt Euch nur vor, Ihr könntet geradewegs aufs offene Meer hinaussegeln und die Patrouillenschiffe der Händler über den Horizont locken, ehe Ihr ganz einfach umdreht und Kurs auf den Hafen setzt, der Euch gerade zusagt.«
»Ich wette nicht.« Dhirken schleuderte den Holzsplitter fort, bereit Arithons Bekanntschaft mit ihrem Entermesser aufzufrischen.
»Ihr lest auch nicht«, schoß Arithon zurück. »Verändert nur diese beiden Gewohnheiten, und kein anderer Schmuggler, kein Verfolger kann es in diesen Gewässern noch mit Euch aufnehmen.«
»Käpt’n«, wagte sich der Matrose am Ruder schüchtern vor, »hört, was der Mann zu sagen hat. Wir können ihn jederzeit umbringen, aber wenn er die Wahrheit sagt, dann könnte jeder einzelne von uns reich werden.«
»Ich sage, er hat eine sichere Hand am Ruder«, fügte der Maat hinzu.
»Ath, ihr winselt wie junge Hunde!« schnaubte Dhirken. »Wollt ihr wirklich für ihn bitten, Lügner der er ist und ein schattenbindender Zauberer außerdem?«
Als keiner ihrer Männer es wagte, ihr in die Augen zu sehen, konzentrierte sie sich auf ihre eigenen Überlegungen. Weit über ihnen vernachlässigten die Matrosen ihre Arbeit in der Takelage, um den Vorgängen auf Deck zu lauschen. An ihren reglosen Schatten auf den Planken erkannte ihr Kapitän, daß sie untätig waren. Schroff bellte Dhirken eine Warnung hinauf, ehe sie sich an ihren Gefangenen wandte: »Wenn das, was du sagst, wahr ist, wenn diese Navigation keine Zauberei ist, kann sie dann jeder an Bord erlernen?«
»Jeder«, versicherte Arithon. »Meine Hände könnten gefesselt sein. Mit den richtigen Instrumenten und meinen Anweisungen könntet Ihr selbst das Besteck benutzen und den Kurs festsetzen.«
»Dann sollen Eure Hände gefesselt werden und Eure Füße ebenso.« Erfreut, die Gelegenheit wahrgenommen und triumphiert zu haben, schickte sie einen Matrosen, die Rettungsleine aus dem Spind zu holen. »Ich will, daß wir den Hafen von Farsee anlaufen. Bring uns dorthin, oder ich werde zusehen, wie Krabben deinen
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