Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
Füßen. Der Wahnsinnige Prophet erschrak so sehr, daß er den kühlen Schaum des Bieres über seine Kehrseite schüttete.
»Ich glaube, wir wurden einander noch nicht vorgestellt«, erklärte er vorsichtig, während er sich mit katastrophaler Ungeschicklichkeit dem Versuch widmete, den übermäßigen Strom des Bieres zu stoppen. Er fummelte an dem Hahn herum, während das Gebräu zischend über den Rand des Kruges lief und sich über seine abgetragenen Socken ergoß.
Der Schüler des Barden quittierte seine Bemühungen mit einem verschlagenen Grinsen, beugte sich über ihn und schloß den Hahn. »Man nennt mich Medlir, und ich vermute, Ihr irrt Euch. Ich bin absolut sicher, daß ich Euch von irgendwoher kenne.«
»Vielleicht aus einer miesen Strophe in einer Eurer Balladen«, entgegnete Dakar, der vollauf damit beschäftigt war, den seifeverschmierten Krug vor dem Umfallen zu retten, als er ihn hinter seinem Rücken hervorbalancierte. Als es ihm gelungen war, wenigstens diesen kleinen Sieg zu erringen, blickte er dem Schüler des Barden in die Augen und begann, sich das Bier durch die Kehle laufen zu lassen. Als der Krug schon zu drei Vierteln geleert war, dämmerte ihm allmählich, daß dieser sonderbare, kleine Mann offenbar nicht die Absicht hatte, seinen Diebstahl bekanntzugeben. Schluckend und nach Atem ringend setzte Dakar den Krug ab. Seine durchnäßte Hose platschte durch die Bierlache, als er sich vorschob, nun in der Absicht, sicherheitshalber dennoch eilends die Flucht zu ergreifen.
Medlir trat ebenfalls einen Schritt vor und verstellte ihm den Weg. »Seid doch kein Narr.« Verstohlen legte er den Kopf ein kleines bißchen zur Seite, um den Blick auf das Barmädchen freizugeben, welches mit zorniger Entschlossenheit auf die beiden Männer zustrebte.
Das Unbehagen des Wahnsinnigen Propheten nahm noch weiter zu, und er bedachte das Mädchen und den hinderlichen Schüler Hallirons gleichermaßen mit einem finsteren Blick. »Ach, verdammt!« Unter Qualen bereitete er sich märtyrerhaft darauf vor, sein gestohlenes Bier in den Waschtrog zu kippen.
»Nicht so hastig.« Medlir hielt ihn mit seinen langen, schmalen Fingern auf und schnipste zielsicher ein Silberstück in die Schale auf dem Tablett des Weibsbildes. »Trinkt auf meine Gesundheit«, lud er Dakar ein. »Das Wechselgeld sollte reichen, das verschüttete Bier zu bezahlen und Eure Kehle für den Rest des Abends feucht zu halten.«
Sprachlos vor Verwunderung ließ sich der Wahnsinnige Prophet davonführen und zu einem abseits gelegenen Tisch geleiten, an dem er sich in seinen nassen Kleidern niedersetzte. Von seinem unerwarteten Glück sonderbar beunruhigt, trank er einen großen Schluck aus seinem Krug, leckte sich den Schaum aus dem Schnurrbart und verzog das Gesicht ob des schalen Seifengeschmacks. »Bestimmt eine Ballade«, tastete sich Dakar verstohlen vor.
Medlir saß reglos vor ihm. Sein mittlerweile getrocknetes Haar fiel strähnig über seine Schläfen. »Nein, wirklich nicht«, sagte er. »Ich habe Euren Meister kennengelernt.«
Eine bösartige, kribbelnde Kälte strahlte von seiner Leibesmitte aus bis hinauf zu seinen Nackenhaaren, die sich erschauernd aufrichteten. »Asandir? Wo?« Er krümmte sich auf der Bank, und seine weißumrandeten Augen erinnerten an Perlmuttknöpfe. Dann, getrieben von beängstigendem Mißtrauen, sagte er: »Aber natürlich! Ihr bereist das Land gemeinsam mit Halliron. Und der Meisterbarde ist der Bruderschaft wohlgesonnen.«
»Muß Euch das beunruhigen?« Medlir winkte, um die Aufmerksamkeit des Barmädchens zu erregen.
»Aber nein«, versicherte Dakar ihm rasch. Das Barmädchen näherte sich mit zornigen Bewegungen und wogenden Röcken. Widerwillig füllte sie den inzwischen geleerten Krug auf. Der Wahnsinnige Prophet grinste sie an, während er den Krug hob, um Medlir zuzuprosten. »Auf Eure Gesundheit«, sagte er.
Die Tür flog krachend auf, um eine weitere Gruppe Dorfbewohner hereinzulassen, Männer in Stiefeln, an denen der Dreck aus den Ställen klebte, und Mänteln, von denen der Geruch nasser Schafe aufstieg. Matronen trugen Körbe mit gefärbter Wolle zum Kämmen bei sich, Rocken und Spindeln, kleine, tragbare Webgeräte oder alte Socken, die gestopft werden mußten. Die jüngeren, unverheirateten Dorfbewohner waren zum Tanzen gekleidet. Bald herrschte ein dichtes Gedränge in der kleinen Taverne, und das Gelächter und die Gespräche neben dem Kamin steigerten sich zu einem Lärm von
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