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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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schrecklichen Radau veranstalteten. Dakar hielt sich den Kopf, während er sich hochstemmte und aus seinem Nest inmitten des Reisegepäcks kletterte. Er stolperte über die Straße, nicht etwa, sich zu erleichtern, sondern auf der Suche nach einem Schlupfwinkel, in den er sich verkriechen und übergeben konnte. Schließlich gelang es ihm, den Straßengraben zu erreichen. Dort aber hielt ihn nur Medlirs fürsorglicher Griff davon ab, kopfüber in das schaumige, eisverkrustete und mit Dornenranken durchzogene Wasser zu stürzen.
    Als er das Elend hinter sich gebracht hatte und wieder aufrecht auf unsicheren Beinen stand, stellte Dakar fest, daß seine Füße nicht länger ohne Schuhwerk waren. Wenngleich nachlässig, so hatte ihm doch ein freundlich gesonnener Mensch seine verlorenen Stiefel wieder an die Füße gezogen. Die biergetränkten Socken in den Schuhen waren allerdings in einer Form zerdrückt, die ihm fraglos eine Reihe bösartiger Blasen einbringen würde. Und dennoch war Dakar entschlossen, lieber an den verheerenden Folgen einer Million übler Besäufnisse zugrunde zu gehen, als sich Asandirs Wünschen in bezug auf den Herrn der Schatten zu fügen. »Wäre mein Leben frei von Zauberern, dann könnte ich vielleicht aufhören zu trinken«, vertraute er Medlir an, während er sich einen Weg unter eine Wagendecke grub.
    Halliron löste die Bremse und trieb das scheckige Pony vor dem Wagen an. Der Karren ratterte über die Eltairstraße, die sich wie ein Faden zwischen der schwarzen Felsenküste und den schneebedeckten Gipfeln des Skyshielgebirges gen Süden wand. Salzige, kalte Böen strichen durch das derbe Fell des Ponys. Halliron lenkte den Wagen, die Hände in dicken Fausthandschuhen verborgen, während Medlir mit lockeren, langen Schritten neben dem Karren ging, in Gedanken mit dem Rezitieren von Balladen oder dem Ausarbeiten einer fröhlichen Weise beschäftigt, der sein Meister gewiß seinen Kommentar beisteuern würde.
    In den nächsten Stunden, in denen die Wirkungen des Alkohols allmählich nachließen, erkannte Dakar, daß die Lehrzeit bei einem Barden mit harten Studien einherging. Zwar hatte sich Halliron für sein Alter gut gehalten, doch zählte er bereits siebenundachtzig Jahre, und die Feuchtigkeit und Kälte machte nicht nur seinen Händen zu schaffen. Wenn er auch selten über Schmerzen klagte, so mühte er sich doch wahrhaft verzweifelt, seinen Nachfolger auszubilden, ehe die Lebenskraft aus seinem Körper wich.
    Während einer Pause, die sie am Nachmittag in einer Poststation zubrachten, in der sie ein Zimmer für den alten Mann gemietet hatten, damit er sich ausruhen konnte, gestand Medlir Dakar, daß Sentimentalität der Grund für ihre Reise nach Shand war. »Der Meisterbarde wurde in Innish an der Südküste geboren, dort, wo der Fluß Ippash ins Meer fließt. Er möchte seine Heimat noch einmal sehen, bevor er stirbt, und er will, daß seine Asche nahe seiner Familie beigesetzt wird.«
    »Er hat Familie?« sagte Dakar verblüfft. In all den vielen Jahren, seit er Halliron kannte, hatte er nie etwas über seine Herkunft erfahren.
    »Eine Tochter, glaube ich.« Zu rücksichtsvoll für ungehemmten Klatsch, stocherte Medlir lustlos in seinem Teller mit Wurst und Brot herum. »Die Mutter hat es vorgezogen, nicht zu reisen.«
    Gründlich mit jeder Straße des Kontinents vertraut, überdachte Dakar die Entfernung und lächelte dann. »Ihr könnt die Südküste im Sommer erreichen.«
    »Ja, sicher«, entgegnete Medlir ebenfalls lächelnd. »Das hoffen wir jedenfalls, vorausgesetzt, man schmeichelt uns nicht in jeder Taverne, in der wir Rast machen, um uns zum Bleiben zu überreden.«
    Der Gästeraum war fast leer. Der letzte Bote aus Highscarp, der zum Pferdewechsel gehalten hatte, stieg eben draußen in den Sattel. Das Gesicht von dem kalten morgendlichen Wind oder vielleicht von der Hitze des Feuers gerötet, schien Medlir gar nicht zu bemerken, daß Dakar ihn mit schonungslos forschendem Blick betrachtete: von schmalen, musikalischen Fingern, die am Rand des Geschirrs leise einen Rhythmus pochten, bis zu der außergewöhnlichen Art und Weise, in der er sein Hemd zu tragen pflegte, dessen Ärmel den ganzen Arm bedeckten und, am Gelenk fest verschnürt, erst am Handballen endeten. In jener Stunde, in der der Fluch des Nebelgeistes zugeschlagen hatte, war Arithon einst von einem Blitz getroffen worden, der ihm den rechten Arm von der Handfläche bis zum Ellbogen verbrannt hatte, wie Dakar

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