Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
Vom Netzwerk:
untersuchen, kam aus der Tiefe des Kerkers zurück und schnalzte aufgeregt hinter seinem parfümierten Taschentuch, das er bei sich trug, um dem Gestank zu entgehen, mit der Zunge. »Der Mann ist verrückt«, stellte er näselnd fest. Er nahm das Leinentuch von seinem Gesicht und spuckte hinein. Als er damit fertig war, gewohnheitsmäßig wie professionell seine Körperflüssigkeit in Augenschein zu nehmen, nötigte er den bläßlichen Oberaufseher dazu, seine Ansichten über den wirren Geisteszustand des Gefangenen mit ihm zu teilen. »Glaubt, er wäre unsterblich. Besteht darauf, daß er sogar eine hohe Dosis Tollkirschen überleben könnte, und dann bietet mir der irrsinnige Narr noch an, es mir vorzuführen. Laßt ihn angekettet, und verabreicht ihm eine Diät aus Kräuterbrühen. Danach, wenn Ihr meinen Rat hören wollt, schickt ihn in das Irrenhaus der Geweihten Mönche Aths.«
    Eingemummt in Felljacken, um sich und seiner Erkältung Linderung zu verschaffen, ließ der Oberaufseher seinem Zorn freien Lauf. »Es wäre wahrhaftig eine Erleichterung, wenn ich den Kerl endlich loswerden könnte. Aber der Richter läßt sich nicht erweichen. Zwangsarbeit bis zum Sommer, lautet das Urteil für Dakar, und daran kann nichts außer seinem Tod etwas ändern.«
    »Nun, dann laßt ihn eben liegen«, sagte der Heiler, während er mit säuerlicher Miene seine Tasche packte. »Vielleicht bekommt er die Pocken, oder er geht an entzündeten Rattenbissen zugrunde. Wenigstens sollte er sich im Namen der Gerechtigkeit Daelions bei Euch anstecken und sich erkälten, auf daß er seine Stimme verliert. Braut Eure Frau Cailcallowtee?«
    Der niedergeschlagene Aufseher schüttelte den Kopf. »Keine Frau.«
    »Ach, wie schade.« Pfeifend zog der Heiler von dannen; und welche Krankheit auch immer seine Kerkermeister befiel, Dakar erwies sich als unverschämt immun. Er jubilierte in der Finsternis, bis er heiser war, und krächzte dann in einem vergnügten Bariton weiter, während die Wachen sich verzweifelt mühten, der Dissonanz zu entgehen, indem sie sich Tücher um die Ohren wickelten.
    Das Frühjahr nahm seinen Lauf, und Dakars abgetragener Arbeitskittel aus Hanffasern flatterte locker um seinen abgezehrten Leib. Seine Haut hatte die blasse Farbe eines Champignons angenommen, als der Wahnsinnige Prophet dem Mann, der gesandt worden war, ihn herauszuholen, mitteilte, daß er nie in seinem Leben mehr als vierzehn Tage hintereinander nüchtern geblieben war, nicht einmal als Baby auf den Knien seiner Mutter. Drei Monate hingegen wären ein einmaliger Rekord, erklärte Dakar so beharrlich, als wunderte er sich ernsthaft darüber, noch am Leben zu sein.
    Niemand kam ihm mit einem Krug Bier zu Hilfe. Statt dessen wurde er aus seiner Höhle in den tiefen Kerkern Jaelots gezerrt. Die Steinblöcke, die während des Winters geschlagen worden waren, wurden nun auf flache Ochsenkarren verladen und langsam über die Landspitze transportiert. Am Ziel peinigte eine Truppe Soldaten in Lederrüstzeug die ausgezehrten Arbeiter mit ihrem ohrenbetäubenden Gebrüll. Wund vom salzigen Sprühregen der Gischt, die von den weißen Schaumkronen der Flutwellen heranwehte, blutend aus Hautabschürfungen von den Ketten und aus Schnittwunden, die sie sich an den Kanten der Steine zugefügt hatten, bückten sich die Zwangsarbeiter Jaelots, um eingefallene Schutzwälle und Strombrecher wieder aufzurichten.
    Die Arbeit war hart und gefährlich; dort, wo die Strömung die Schutzmauern unterspült hatte, gerieten die Granitblöcke nur allzuleicht ins Rutschen. Ein Mann, der sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt, konnte sich schnell Arme oder Beine brechen. Heranrollende Wogen mochten sich urplötzlich auftürmen und über die Arbeiter hereinbrechen, und die brodelnden, schäumenden, salzigen Wassermassen waren imstande, die gewaltigen Steinblöcke durcheinanderzuwirbeln wie Suppenknochen in einem Kochtopf. Männer starben, zerquetscht wie Insekten. Andere ertranken, von ihren Ketten in die Fluten hinabgezerrt.
    Dakar verspürte keineswegs den Wunsch, als Futter für die Krabbenhorden zu enden, die die Bucht nach Nahrung durchstöberten.
    Als weitere Wagen zum Entladen herbeigezerrt wurden, nutzte er einen Augenblick, in dem die Wache abgelenkt war, um seinen scharfen Blick über die Wellen wandern zu lassen, wobei er vorgab, sich in die rissigen Hände zu spucken. Die Monate im Kerker hatten ihm mehr Zeit gegeben, sich in ununterbrochener Konzentration zu

Weitere Kostenlose Bücher