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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Seebrise trug den salzigen Meeresdunst, gepaart mit dem Gestank der Fischabfälle herbei, die zum Trocknen ausgelegt worden waren, um später als Düngemittel Verwendung zu finden. Rauch wehte von den Freudenfeuern herbei, die den Dagrienhof in ihr flackerndes Licht tauchten. Die leichten, wilden Klänge einer Fidel wirbelten durch die Finsternis, für kurze Zeit überlagert von dem Knarren ledernen Zaumzeugs und dem Knirschen der Wagenräder, als des Statthalters Kutschpferde das Gefährt ohne Fahrgäste wieder aus dem Hof der Taverne zogen.
    Halliron schritt forsch voran. Der Palast lag in dem vornehmen Viertel, das sich gegenüber der Ratshalle befand. Der Weg dorthin wurde durch die gewundenen Pflasterstraßen und Gassen erschwert, die anstiegen und wieder abfielen – je nachdem wie die Natur das Gelände angelegt hatte – oder sich im Zickzack über unerwartete Treppen schlängelten, die in die Erde der Landspitze gehauen worden waren. Nach nunmehr sechs Monaten kannte Medlir jede Abkürzung, und dank seiner Gabe bildete auch die Dunkelheit für ihn kein Hindernis.
    Durch die Stille der Nacht wieder zur Vernunft gekommen, seufzte Halliron wehmütig. »Ich hätte mir mehr Gedanken über Straßenräuber machen sollen.«
    »Warum? Fürchtest du um dein Gold und deine Juwelen?« Medlir grinste, während er sich zum Schutz der Lyranthe seitwärts durch einen engen Torbogen schob. »Du solltest dich einmal genau ansehen, mein Freund.«
    Der Meisterbarde sah an sich herab und stellte verblüfft fest, daß der Glanz seiner edlen Gewänder in konturloser Dunkelheit verschwunden war. »Ath! Deine Schatten? Das hätte ich mir im Grunde auch denken können.«
    »Dann solltest du beten, daß die Diebe das nicht auch tun«, konterte Medlir. »Es ist nicht allzu riskant, meine Gabe hier zu nutzen. Niemand weiß genug über mich, um einen Boten nach Etarra zu senden, der von mir berichten könnte. Und außerdem hätte ich dem Statthalter das Genick brechen müssen, hättest du auch nur einen Fuß in diese Kutsche gesetzt. Schmerzen deine Gelenke wieder?«
    »Nicht allzusehr.« Halliron betrachtete die hochaufragende Fassade eines vornehmen Hauses, die vom bronzenen Schein der Fackeln umrahmt wurde. Ein Phaeton mit großen Rädern, gelenkt von einem pfauenfedergeschmückten Lebemann, holperte vorbei. »Wo sind wir?«
    »In der Straße der Gewürzhändler«, sagte Medlir, wobei er leise hustete. Die letzte Dame, die sich auf den Polstern des Phaetons geräkelt hatte, hatte dafür gesorgt, daß das Vehikel nun eine erstickende Patchouliwolke hinter sich her zog. »Mach dir nichts daraus, wenn du den Zimt nicht riechen kannst. Hier müssen wir abbiegen.«
    Sie durchquerten einen architektonischen Garten, in dem Medlir mit ausgelassener Schadenfreude einen liebestollen Kater mitten in seiner Serenade aufscheuchte und unter einen Rosenstrauch jagte. Über ihnen wurde kreischend ein Fensterladen geöffnet, hinter dem eine zahnlose Alte, die Schmähungen brüllte, zum Vorschein kam.
    Lachend duckte sich Medlir unter einem mit blühenden Reben bewachsenes Bogengerüst hindurch und öffnete ein Tor, das direkt zu der Gosse hinter dem Gerichtsgebäude führte. »Achte auf die Pferdepisse.«
    »Oder auch nicht«, konterte Halliron trocken. »Wenn ich genug stinke, daß ich die Aufmerksamkeit der Gäste errege, was meinst du, wird die Gemahlin des Statthalters mich dann hinauswerfen?«
    »Zweifellos wird sie Dakar für diesen Lapsus rösten und dann jeglichem Feingefühl aus dem Wege gehen und dir ein neues Paar Schuhe bringen lassen, besonders hübsche, mit Satinrüschen.« Medlir bot seinem Meister den Arm, um ihm über eine Pfütze zu helfen. Durch den dünnen Stoff seiner Ärmel fühlte er, wie beängstigend Halliron zitterte. »Es ist nicht mehr weit. Wir können die Abkürzung durch die Baracken der Garde nehmen.«
    »Das ist nicht nötig.« Halliron richtete sich zu voller Größe auf. »Ich brauche Bewegung, um meinen Zorn abzureagieren.« Schweigend liefen sie gemeinsam durch eine Umgebung, die ihnen im Verlauf ihres erzwungenen Aufenthaltes in Jaelot unerfreulich vertraut geworden war; vorbei an den verfallenen Ställen der Metzger und den aufgestapelten Körben der Fischhändler, die in der nur von Sternen erhellten Düsternis an Vogelnester erinnerten. Der tiefe, klagende Klang der Glocken im Wachturm verkündete die Stunde und scheuchte einen Taubenschwarm auf. Die Vögel kreisten über der unebenmäßigen Silhouette der

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