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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Menschen gibt, die mit einem gewissen Schamgefühl geboren worden sind?« Als die donnernden Schritte den Treppenabsatz erreichten, riß Halliron die Tür direkt vor dem verschreckten Gesicht des Neuankömmlings auf und herrschte ihn an: »Wo ist Dakar? Oder stimmt es etwa, daß bewaffnete Gardisten ihn mitten auf den Straßen des Beckurnmarktes gefangengenommen haben?«
    Der Laufbursche des Statthalters zerrte sein Wams zurecht, das beim hastigen Treppensteigen über die Wölbung seines Bauches hinaufgeglitten war. Von dem Auftritt des älteren Mannes in dem schwarzen Seidengewand vollkommen überrascht, trat er einen Schritt zurück, ehe er es wagte, sich zu äußern. »Ihr sprecht von dem Gefangenen des Stadthalters?«
    »Ich spreche von einem Mann, für dessen anständiges Betragen ich mein Wort gegeben habe.« Halliron sah sich nicht einmal um, als Medlir sich seinen Gürtel schnappte und hinter ihn trat, ihn zu unterstützen.
    Der Laufbursche räusperte sich. »Von diesen Dingen ist mir nichts bekannt.«
    »Aber du weißt, wo Dakar ist«, mischte sich nun Medlir ein. »Hör auf, dich zu winden!«
    Die Dämmerung war hereingebrochen. Der Zierat an Hallirons höfischen Gewändern funkelte in dem unsteten Licht der einzigen Kerze ihrer Kammer, das an ihm vorbei auf den dunklen Korridor hinausfiel. Gedämpft schimmerte Schweiß auf des Laufburschen rosaroter Stirn, während er zitternd mit den Händen wedelte, die aus unordentlichen Stulpen herauslugten. »Ich bin jedenfalls nicht derjenige, den Ihr schelten solltet«, begann er, ehe er erneut zurückzuckte, obgleich niemand auf ihn zugetreten war, ihn zu bedrohen. »Euer Prophet wurde im Bankettsaal in Ketten gelegt. Mein Lord, der Statthalter, hat befohlen, ihm die Fesseln erst abzunehmen, wenn der Meisterbarde die versprochene Vorstellung gegeben hat.«
    Drei Stockwerke unter ihnen, auf der Straße, rumpelte ein Wagen vorbei, und die Glocken des Zaumzeugs durchbrachen das Gelächter einer Frau mit ihrem süßen Klang. Ein Hund bellte, ein Küchenjunge schlug donnernd eine Tür zu, und das Leben in den Grenzen des Tavernenhofes ging seinen üblichen Gang, während sich in der Enge der kleinen Dachstube eine unbeschreibliche Spannung ausbreitete.
    Dann wirbelte Halliron auf dem Absatz herum. Beinahe tonlos raschelte flüsternd die Seide seiner Kleider. Weder zeigte er seine Stimmung, noch klang Groll in seinen Worten an, als er sich an seinen Schüler wandte. »Ath möge mir vergeben, du hattest recht. Ich werde dich in jeder Hinsicht brauchen.«
    Bescheiden und unauffällig in seiner taubengrauen Leinenkleidung, enthielt sich Medlir einer Entgegnung. Die versilberten Enden seiner Hemdschnüre blitzten auf, als er die letzten Haken an seinen Stiefelnstulpen schloß. Sodann nahm er die Lyranthe seines Meisters von dem Haken hinter dem Bett, wobei er sich in stillem, giftigem Zorn fragte, ob es in Atheras Geschichte je einen anderen Regenten gegeben hatte, der sich so ungeheuerlich dreist gezeigt hatte, das Wort eines Meisterbarden in so unverfrorener Weise anzuzweifeln.
    »Kommt mit mir.« Der Laufbursche trat an die Treppe heran. »Mein Lord, der Statthalter, hat eine Kutsche bereitgestellt, Euch abzuholen.«
    Und schon wieder eine Schmähung: Es war von alters her Brauch, daß der Meisterbarde sich nicht nach den Wünschen eines anderen zu richten hatte. Halliron erklärte angespannt: »Sage deinem Herrn, ich würde mir eher alle Finger brechen, ehe ich diese Kutsche besteige.«
    Die Messingknöpfe an dem Wams des Laufburschen blitzten auf, als er mit einem heftigen Atemzug zu Protest ansetzte. »Aber …«
    »Das Wetter ist gut. Wir werden laufen.« Durch die beruhigende Hand Medlirs auf seiner Schulter vor der eigenen Rage geschützt, ließ der Meisterbarde Atheras des Statthalters kriecherischen Diener einfach stehen.
    Zurück blieb nur eine leere Dachkammer und eine bezahlte Rechnung. Auch der Ponywagen wartete bereits, fertig gepackt, um ohne Verzögerung abzufahren, in dem Stall der Poststation, der dem Stadttor am nächsten war.
    »Sonnenaufgang«, murmelte Medlir. »Die Zeit kann gar nicht schnell genug vorübergehen.«
    Meister und Schüler erreichten den Fuß der Treppe und wandten sich in stillem Einverständnis dem Dienstbotengang zu, der in die dunkle Gasse hinter der Küche hinausführte. Dunkel ragte die massiv gebaute Taverne empor, und ihr hohes Giebeldach hob sich gleich gefaltetem schwarzem Papier vor dem sommerlichen Sternenhimmel ab. Die

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