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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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ihnen wenigstens ein bißchen wohlwollendes Interesse entgegenbringen.«
    Trotz der erschöpfenden Hitze hochaufgerichtet in seinem Sattel, zeigte sich Diegan verbissen und hartnäckig. Die lachenden, unbeschwerten Lebemänner, die seinen Namen riefen, waren nurmehr Fremde für ihn. Längst war er nicht mehr derselbe Mann, der noch zwei Jahre zuvor durch diese Straßen geritten war. Abgemagert und abgehärtet durch das schonungslose Training und gewiß nicht allein dem Titel nach der starke Truppenkommandant, vermochte doch die Veränderung, die neuerworbene Unerschrockenheit nicht, seinen politischen Instinkt zu untergraben, der sich ihm seit Kindheitstagen bis ins tiefste Innere eingeprägt hatte.
    »Du trittst direkt in ein Schlangennest!« fuhr er seinen Prinzen an. »Bei allen Teufeln von Sithaer! Du hast die Hauptmänner von sechzehn Stadtgarnisonen für Stunden sich selbst überlassen, nur um deinem Vergnügen nachzugehen. Du solltest dich wirklich nicht wundern, wenn ihre Streitereien all deine Pläne zunichte machen. Sie werden nie zulassen, daß deine Offiziere ihre Befehlsgewalt an sich reißen. Eher werden sie sich oder auch dir die Kehle durchschneiden.«
    »Ich bin hier, um den endgültigen Sieg über unser aller Feind zu erringen«, entgegnete Lysaer in dem honigsüßen Tonfall, der nicht minder maßregelnd als ein Schlag ins Gesicht war. Augen, so tiefblau wie seine Saphirbroschen, blickten unverwandt zum Straßenrand. Noch immer lächelnd warf er einer grinsenden, zahnlosen Großmutter den Blumenstrauß in seiner Hand zu, ehe er sein Pferd zügeln mußte, um es am Scheuen zu hindern, als ein Strauß getrockneten Lavendels aus einem Dachfenster über einem Parfümgeschäft geworfen wurde. »Wenn die Aussicht, ein paar Schlangen die Stirn zu bieten, dir schon solches Unbehagen bereitet, so kann ich dich an meiner Seite nicht gebrauchen.«
    »Ich will das hier auf keinen Fall verpassen«, konterte Diegan verwegen. »Die Gildeherren Etarras haben ein scheußlich schlechtes Gedächtnis in bezug auf Gefälligkeiten, und dein geliebtes Kriegslager zu Avenor hat sich ihnen jahrelang lediglich als ein Faß ohne Boden gezeigt, in dem all ihre Reichtümer verschwunden sind. Wenn du dich nun selbst als politisches Opfer anbietest, so kannst du dich darauf verlassen, daß ich bleiben und zusehen werde.«
    Ungeheurer Stolz stärkte Diegan den Rücken, während er sich in Spötteleien erging. Er war stolz, angesichts der zahllosen Handwerksmeister und ihrer braungekleideten Lehrlinge, die die Straßen säumten und ehrfurchtsvoll vor dem Reiterzug Platz machten, und er war ebenso stolz auf die Keilformation der Offiziere, die in strahlender, gefährlicher Perfektion hinter ihnen ritten. Diese Stadt war sein Zuhause gewesen. Die Erinnerung an sein Geburtsrecht als hochwohlgeborener Bürger, das er aufgegeben hatte, um Avenor und Lysaer s’Ilessid zu dienen, legte sich als Anspannung über seinen hochaufgerichteten Oberkörper. Als sie die letzte Kurve der Hauptstraße umrundeten, empfand er den perversen Wunsch, die unberechenbare Instabilität etarranischer Diplomatie würde dem Selbstvertrauen des Prinzen einen empfindlichen Schlag versetzen, sei es nur, damit wenigstens ein unerwarteter Rückschlag seinen unerträglichen Optimismus auf ein etwas gefügigeres, menschlicheres Maß stutzen würde.
    Nur ein Narr würde sich weigern, an Lysaer s’Ilessids Seite gegen den Herrn der Schatten zu Felde zu ziehen. Aber am Vorabend eines neuen Krieges und mit der lebhaften, häßlichen, blutgetränkten Erinnerung an den lange zurückliegenden Feldzug im Strakewald, wünschte sich Lordkommandant Diegan beinahe verzweifelt sein verlorenes Gleichgewicht zurück. Er brauchte plötzlich die Unabhängigkeit des Lebemanns, der er gewesen war, die Unabhängigkeit, die keinem anderen Menschen je gestattet hatte, sein Herz zu binden.
    Wie eine warme Decke lag die sommerliche Hitze in der Luft, angefüllt mit den Ausdünstungen allzu vieler Menschen. Öliger Rauch stieg aus den großen, bronzenen Kohlepfannen auf, die entzündet worden waren, seiner königlichen Hoheit, dem Prinzen s’Ilessid, die Ehre zu erweisen. Die kupferbeschlagenen Türflügel am Kopf einer ordentlich gesäuberten Marmortreppe waren fest verschlossen. Gardisten in rot-goldener Livree hielten Wache und drängten die Menschen zurück, die dort herumlungerten, um einen besseren Blick auf den Prinzen zu erhaschen und sich in allerlei wilden Spekulationen zu

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