Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
aufgerollter Teppiche vorbei. »Euer Hoheit, als ich den Caithdein von Tysan getroffen habe, hat sie darauf bestanden, zurückzugeben, was der Krone von Rathain gehört.« Ein rachsüchtiges Lächeln spielte um seine Lippen. »Alles, was Ihr hier in diesem Frachtraum seht, hat Lysaer s’Ilessid quer über den Kontinent gezerrt, ehe es ihm in einem Hinterhalt des Clans auf dem Paß von Orlan abgenommen wurde.«
»Oh, das ist wirklich großartig!« Dhirken brach hilflos lachend über dem Rand ihres Fasses zusammen. »Dharkaron soll Euch dem Teufel zum Fraß vorwerfen, Prinz! Ihr werdet all Eure Pläne durchführen und Euch auf die See hinausflüchten, und bezahlen wird dafür der gestohlene Schatz Eures Feindes!« Mit Bewunderung, nur getrübt von einem Gefühl des Bedauerns, betrachtete sie den Mann, der in der Dunkelheit des Frachtraums kaum mehr als eine Silhouette war. »Jammerschade, daß Ihr ein Jahr zu lange brauchen werdet, um Eure großen Pläne durchzuführen. Soviel Zeit werden Eure Feinde Euch nicht lassen.«
Klar wie ein Blitz erstrahlte Arithons Lächeln in der Finsternis. »Das ist kaum ein Problem, gnädige Frau Kapitän. Lysaer mag seine Armee in Etarra Aufstellung nehmen lassen. Er mag sie ausrüsten und zu einem gewaltigen und ruinösen Preis über den ganzen Kontinent marschieren lassen. Aber wenn er mich vernichten will, dann muß er mich zuerst finden, und das wird ihn sehr, sehr viel Zeit kosten.«
Der Herr der Schatten streckte sich genüßlich, nahm die Laterne von ihrem Haken ab und deutete mit ausgedehnter Geste auf die Leiter, die zur Luke hinauf führte. »Nun, was meint ihr? Wir könnten das Faß anstechen, auf dem Ihr sitzt und auf Eure Heuer und meine große Hoffnung trinken, den Frieden zu wahren.«
Ein Handel
Die Kirschbäume in Tysan legten ihr Frühlingskleid ab, und der Wind verteilte kleine Tupfen weißer und rosafarbener Blütenblätter über die Kriegsbanner, sprenkelte die Mäntel der Männer in dem Reiterzug und überzog die Planen der Ausrüstungswagen, die schwarze Spuren im Schlamm unterhalb der Wachtürme am Nordtor Avenors hinterließen, mit bunten Flecken. Nun, da das Fest zur Tagundnachtgleiche und die königliche Hochzeit bereits einen Monat zurücklagen, hatte die Stadt des künftigen Königs ihr Herz wieder ganz dem bevorstehenden Kampf gegen den Herrn der Schatten zugewandt.
Lysaers frisch angetrauter Gemahlin blieb weiter nichts, als die gewaltigen Umwälzungen zu erdulden, die mit der Aufstellung des Heeres einhergingen. Ihr Gatte war nur selten an ihrer Seite. Umgeben von Beratern und Offizieren wurde er dann und wann zwischen seinen Abstechern zu den Waffenkammern und den Lagerbaracken entdeckt; an manchen Tagen tauchte er überhaupt nicht auf, zog sich zu ausgedehnten Besprechungen mit seinen Sekretären und dem Seneschall in sein Gemach zurück. Die Planung, die Inventarlisten, die Arrangements für die Wagen und die Ausrüstung zogen sich endlos und schleppend dahin.
Die Nächte in der abgeschlossenen Stille ihres Gemaches hoch oben im Turm wurden zu einer geschützten Zeit der Geborgenheit, zu einer Zeit des Trostes für beide. Umfangen von der leidenschaftlichen Umarmung ihres Ehemannes setzte Talith jeden Funken Charme frei, dessen sie fähig war, um seine Ekstase anzufachen und seine überreizten Nerven zu überwältigen, bis all seine Sorgen dahinschmolzen und nur die Gluthitze ihrer Liebe blieb. Sie schmolz unter Lysaers geschickten Händen dahin, bis ihre eigene hungernde Reaktion ihn in einen Taumel der Verzückung hineinzog, in dem jegliches Denken ausgeschaltet war. In seinen Armen duldete sie keinerlei Ablenkung wie etwa die Disziplin reizbarer junger Offiziere, oder die aufgeheizte Stimmung der Soldaten nach ihren langen Märschen über schlechte Wegstrecken; die Vergabe der Gelder, um aus dem zusammenschrumpfenden Staatsschatz, Schiffe zu heuern, die die Instrellbucht durchqueren sollten, um zu den fest eingerichteten Versorgungslinien in Rathain zu gelangen, all das spielte keine Rolle mehr.
Talith hatte keine Hoffnung, etwas an ihrem Los ändern zu können. Prinz Lysaers Seelenfrieden war unabänderlich mit seinem Drang verknüpft, den Herrn der Schatten zu töten.
Ein Drittel der Garnison Avenors war bereits in Marsch gesetzt worden und verdingte sich als Begleitschutz der Wagenzüge. Der Rest gab sich in fiebrigem Eifer der Aufgabe hin, der eigenen Kampfeskunst und Disziplin den letzten Schliff zu verleihen. Stetig lebte
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