Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
ehe er zuschlug. Er kämpfte darum, den Menschen mit seinen Stoßzähnen aufzuspießen, während seine Hufe zertrampeltes Gras aufwirbelten. Sein Mörder jedoch hielt den Schaft des Speeres noch immer gnadenlos fest. Erfüllt von einer krankhaften Erregung gab sich Lysaer mit all seiner Kraft der hilflosen Wut auf den Feind hin, den er nicht erreichen konnte. Verzückt genoß er die Herrlichkeit seiner Macht, und als sein Opfer allmählich schwächer wurde, ergötzte er sich an des Tieres Qual.
Er verdrehte den Speer, fühlte, wie er an Knochen vorbei noch tiefer in den Leib des Tieres drang, es aufschlitzte, vernichtete, jeden Tropfen Blut aus ihm herauspreßte. In der Gluthitze stolzerfüllter Hochstimmung weidete er sich daran, daß, endlich, sein Halbbruder in seiner Reichweite war.
Noch ehe das Jahr zu Ende ginge, würde die ehrlose Kreatur, die ihr Leben an seiner Klinge beenden mußte, kein Keiler sein, sondern der Herr der Schatten, Arithon s’Ffalenn.
Noch lange, nachdem das letzte Beben des Tieres geendet hatte, hackte er ohne Unterlaß mit seinem Speer auf den Kadaver ein. Dann erfaßte ihn ein letzter, wilder Schauder. Frierend, schweißgebadet, verschmiert mit abgerissenem Blattwerk, vollkommen bedeckt von dem Kupfergeruch frisch vergossenen Blutes, fühlte Lysaer, wie seine zornige Besessenheit allmählich nachließ.
Wieder bei Sinnen erkannte er, beschämt ob seiner würdelosen Tat, wie weit ihn die schmutzige Vision der Hexe vom Pfad geistiger Gesundheit fortgetrieben hatte.
Der Speer entglitt seinen erschlafften Fingern. Ausgezehrt von den Nachwirkungen der Magie, bückte er sich, die Arme um die Brust geschlungen. Der Gestank des Todes und der Exkremente des Keilers lastete übelkeitserregend auf seinen nun wieder zivilisierten Sinnen. Zusammengekauert übergab er sich auf das Gras und blieb benommen liegen.
Dort fand ihn Major Pesquil, verkrümmt im Dreck neben dem abgeschlachteten Keiler, von dem noch dampfend die Luft im Zwielicht aufstieg.
Prinz Lysaer zuckte zusammen, als leise Schritte im Gras zu hören waren. Mühsam sammelte er sich und richtete sich auf. »Berührt mich nicht«, sagte er.
Pesquil betrachtete ihn von oben bis unten, wobei er sorgsam darauf achtete, nicht auf die Überreste des Tieres zu starren, die so zerfetzt waren, daß nicht einmal eine Trophäe übriggeblieben war. Mit verdammenswerter, stählerner Ruhe sagte er: »Wie ich sehe habt Ihr Euren Keiler kampflos bekommen.«
Ohne Reue ergriff Lysaer den klebrigen Schaft seines Speeres und richtete seinen Körper zu voller Größe auf. »Nun wird das Heer von Avenor einem sicheren Sieg entgegenmarschieren. Ich weiß, wo sich unser Feind verbirgt. Die Aufstellung des Heeres soll in Etarra stattfinden. Dann werden wir Schiffe brauchen, so schnell wir sie bekommen können, um unsere Streitkräfte nach Süden zu bringen, nach Merior.«
»Wovon sprecht Ihr?«
»Arithon s’Ffalenn.« Blutverschmierte Finger vor seinem Gesicht verdeckten nur ansatzweise sein Lächeln. »Wir werden ihn in seinem Schlupfwinkel in Merior aufspüren. Dort baut er Schiffe, um Jagd auf die Profite der Händler zu machen. Sein Piratenvater hat das gleiche getan. Wenn wir den Kontinent durchqueren und unser Heer einschiffen können, dann wird der Herr der Schatten noch in diesem Winter in seinem Grab liegen.«
Nun, da er sich reingewaschen fühlte, erkannte Lysaer, wie weise die Korianizauberin gewesen war, sein Rendezvous mit dem Keiler zu arrangieren. Dieser Ausbruch brutaler Gewalt hatte seine Selbstkontrolle wiederhergestellt. Nun konnte er sich der Vision gelassen erinnern. Ein Detail, das ihm in der ersten Hitze der Vision entgangen war, drängte sich nun in den Vordergrund seines Bewußtseins.
Die Goldtruhe, die zu Füßen seines Halbbruders im Sand gestanden hatte, um den ehrbaren Handwerker zu verpflichten, hatte nicht nur einen etarranischen Gildestempel getragen, sondern überdies das Wachssiegel von Tysan. Der Herr der Schatten hätte nie in den Besitz einer solchen Truhe kommen können, es sei denn, die gnädige Frau Maenalle hätte sich auf seine Seite geschlagen.
Erneut über die Maßen erzürnt, sagte Lysaer: »Möge Ath ihr gnädig sein. Wir wurden ohne Zweifel hintergangen.« An Ort und Stelle und in Pesquils Beisein, gelobte er bei seiner Königswürde, dem Caithdein von Tysan seine Machenschaften heimzuzahlen. »Hört meine Worte, das Leben der gnädigen Frau Maenalle ist verwirkt. Sie hat ihr Reich verraten und all das
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