Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
denke ich, daß Ihr die Sprache des Großherzogs zu sprechen imstande seid«, konterte Lysaer, darauf bedacht, die Fallgruben des heiklen Temperaments dieses s’Brydion zu umgehen. »Herzog Erlien wird gewiß nicht erfreut sein, wenn Eure Truppen durch sein Gebiet marschieren, aber er wird Eure Männer auch nicht kurzerhand töten.«
Der Herzog erreichte wieder einmal das Fenster. Die Hände auf den Sims gestützt, starrte er hinaus wie eine gefangene Bestie.
Als er sich wieder bewegte und mit der Faust in die Handfläche der anderen Hand schlug, blitzten die Glieder seines Kettenhemdes auf. »Ich bin ein Getreuer Melhallas, nicht Shands.«
Doch Lysaer hatte sich gründlich über die geschichtlichen Zusammenhänge informiert. »Melhallas königliche Linie ist unterbrochen. Es gibt keinen überlebenden Thronfolger. Was Shand angeht, so bin ich mütterlicherseits ein legitimer und direkter Nachfahre des letzten Hohekönigs auf dem Thron des Reiches.«
Bransian lachte. »Ath. Erklärt das Herzog Erlien, und Ihr werdet Euren zweimalköniglichen Hals riskieren.« Schwungvoll wandte er seinen mächtigen Leib vom Fenster ab, das bärtige Kinn in einem Ausdruck kämpferischer Vorfreude vorgereckt. »Ihr habt Schneid, Prinz, das gebe ich zu. Und es stimmt, Herzog Erlien wird wenig daran interessiert sein, seine Streitkräfte gegen die meinen in den Kampf ziehen zu lassen. Ich bin einverstanden, Eure Versorgungslinien zu schützen, aber ich habe eine Bedingung.«
Mit räuberischem Blick wartete er, bereit, die ganze Sache fallenzulassen, sollte der Prinz mit seinen honigsüßen Manieren einen Fehltritt begehen oder im mindesten zurückschrecken.
Lysaer setzte ein nachsichtiges Lächeln auf, doch weder sprach er, noch zeigte er sich beunruhigt.
Lange zog sich das Schweigen dahin, bis eine schwer lastende Spannung den Raum erfüllte. Bransians Augen funkelten.
Aus seiner Stille wuchs eine undefinierbare Bedrohung, so unheilverkündend, daß selbst die Geräusche der Straße jenseits des Fensters einen weniger standhaften Mann schreckhaft hätten zusammenzucken lassen.
»Bei Dharkarons Streitwagen!« sagte endlich der Herzog. Seine angespannte Haltung löste sich, als er sich kraftvoll und mit fließenden Bewegungen streckte, baute sich jedoch sogleich wieder auf, als er die Gelenke seiner Schwerthand krachend überdehnte. »Ihr habt nicht einen empfindsamen Nerv im Leib.«
»Doch, gewiß«, entgegnete Lysaer. »Und er ist voll und ganz dem Tode Arithon s’Ffalenns gewidmet. Auf welcher Seite steht Alestron?«
»Auf Eurer, natürlich.«
Kaum war er damit fertig, seine Gelenke zu martern, da stampfte der Herzog schon mit klirrender Rüstung zu dem Beistelltisch, ergriff den Bierkrug und schenkte zwei Becher ein. In einem Zug leerte er den ersten Becher, während er den zweiten stehenließ, um abzuwarten, ob der Prinz sich erheben oder von ihm die Unterwürfigkeit eines Gefolgsmannes erwarten würde.
Lysaer tat weder das eine noch das andere.
Solchermaßen in seiner eigenen Strategie gefangen, leckte sich Herzog Bransian den Schaum aus den Barthaaren, ehe er keineswegs verärgert nachgab. »Ich werde Eure Versorgungslinien nur unter der ausdrücklichen Bedingung unterstützen, daß meine Söldnertruppen und die Hälfte meiner Garnison an vorderster Front in Vastmark kämpfen. Alestrons Offiziere müssen in Eurem Kriegsrat gehört werden. Wir haben der königlichen Charta von Melhalla die Treue gelobt, und wir werden keinem anderen Herrn dienen. Ganz gewiß nicht dem Prinzen eines anderen Reiches. Und meine Offiziere werden nicht erfreut sein, wenn sie Kindermädchen für die Wagenlenker spielen sollen. Sie brauchen einen Anreiz für ihre Soldaten, und sie sind begierig auf eine wilde, blutige Schlacht.«
Ein vergnügtes Grinsen spielte um Lysaers Lippen. »Und Ihr fürchtet nicht, sie könnten abgeschlachtet werden wie flügellahme Singvögel?«
»Sithaer, nein!« Nunmehr in überaus guter Stimmung, füllte Bransian sein Glas nach, ehe er, den Geboten der Höflichkeit folgend, Lysaer das andere reichte. »Ein Mann, dessen Arsch den Pfeilen wollspinnender Schäfer zum Opfer fällt, den will ich gewiß nicht zurückhaben. Trinken wir auf den Tod des Herrn der Schatten«, schlug er vor. Während er sein Glas erhob, beschrieb seine Hand einen weiten Bogen in Richtung Fenster, bis er schließlich vage gen Norden deutete. »Ich werde früh am Morgen Weiterreisen müssen. Die Steinbrecher in Elssine hauen Blöcke für
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