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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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Wirkung, aber nichts passierte. Inzwischen hatten die Musiker wieder zu spielen begonnen. Die Melodie klang schwermütig, und das Lagerfeuer knisterte laut in ihren Ohren. War es größer geworden? Wer hatte Holz nachgelegt? Sie hatte doch gar nichts davon bemerkt. Während ihr diese Fragen durch den Kopf gingen, wurden ihre Augenlider immer schwerer.
    Plötzlich standen der Dorfälteste und die beiden Männer neben ihm auf und begannen mit wilden Zuckungen rund um das Feuer zu tanzen. Erschrocken rutschte Jana zurück, um ihnen nicht im Weg zu sein. Ihre Bewegungen hatten etwas Ekstatisches, Irres. Einer der Männer sank auf die Knie, legte seinen Oberkörper auf dem Boden ab und schrie laut auf. Ein anderer verdrehte die Augen und kreischte. Jana konzentrierte sich auf sich selbst. Drehte das Lagerfeuer sich? Sie starrte in die wild flackernden Flammen, spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte, und ganz plötzlich wurde ihr übel. Sie schaffte es gerade noch aufzustehen und sich vom Feuer wegzudrehen. Hart würgend übergab sie sich. Das Abendessen landete unverdaut und sauer auf dem staubigen Boden. In ihrem Kopf pochte und dröhnte es, dabei hatte sie nur vorsichtig an dem Pulver gerochen und es nicht durch die Nase aufgezogen wie die anderen. Besorgt sah sie sich nach Richard um. Der kauerte am Boden. Mit unsicherem Schritt wankte sie zu ihm und hockte sich neben ihn auf den Boden.
    »Richard, Ihr müsst das Zeug aus Euch herausbringen. Versucht Euch zu übergeben«, sagte sie eindringlich.
    Richard hob den Kopf, aber er blickte durch sie hindurch und schien Jana nicht zu erkennen.
    »Es tut … mir leid … Julia. Du musst … mir glauben, dass … es mir … leid«, stammelte er.
    »Ich bin nicht Julia«, fuhr ihm Jana ins Wort. »Ihr habt eine Pflanze gekostet, die Euer Denken vernebelt, und nun fantasiert Ihr.«
    »Ich wollte das nicht …« Tränen traten in Richards Augen. Er schluchzte.
    Jana ergriff seine Schultern und schüttelte ihn.
    »Richard!«, rief sie. »Wacht auf.«
    »Das Eis war so dünn. Ich konnte …« Richard verbarg sein Gesicht in den Händen und weinte hemmungslos.
    Jana legte ihren Arm um ihn. Der Mann zitterte so heftig, wie Jana es noch nie bei einem Menschen erlebt hatte. Sie nahm ihren eigenen Mantel ab und legte ihn um Richards Schultern, aber das Zittern wurde noch heftiger und steigerte sich zu einem Schüttelkrampf. Seine Zähne schlugen laut aufeinander, und seine Augen rollten zur Seite weg, so dass Jana nur noch das Weiße sehen konnte.
    Sie hielt ihn ganz fest. Was sollte sie tun, um seine Not zu lindern? Verzweifelt schaute sie zu den anderen Männern am Feuer. Die meisten wirkten glücklich. Entrückt, aber glücklich. Sie tanzten zum Rhythmus der Musik, stampften, drehten sich und sangen laut.
    Richard klebten die verschwitzten Haare an der Stirn.
    »Becca! Nicht!!«, schrie er so laut, dass Jana zusammenzuckte.
    Verzweifelt streckte er beide Arme ins Leere und versuchte, nach etwas zu schnappen.
    »Richard«, sagte Jana bestimmt. »Beruhigt Euch. Ich bin Jana!«
    In dem Moment trat ihre Gastgeberin zu ihnen. Die Alte reichte Jana eine Decke und erklärte: »Euer Mann hat zu viel Yopo erwischt. In ein paar Stunden wird er schlafen wie ein kleines Kind, und morgen wird er Kopfschmerzen haben. Ich werde Euch helfen. Gemeinsam bringen wir ihn in den Stall.«
    »Ist Yopo das schwarze Pulver?«
    »Ja, es schärft die Sinne und versetzt die Menschen in große Glückszustände.«
    Jana runzelte ungläubig die Stirn. Richard wirkte alles andere als glücklich.
    »Wenn man jedoch zu viel erwischt, kann es einen auch das Grauen lehren. Eure Priester würden den Zustand die Hölle nennen.«
    Erneut schrie Richard auf. Er schien tatsächlich in der Hölle zu sein, in seiner ganz persönlichen.
    Jana und die alte Frau packten ihn unter den Achseln und zogen ihn hoch. Gemeinsam schleppten sie ihn zu Maras Haus, wo die alte Frau im Stall ein sauberes Lager für ihre Gäste vorbereitet hatte. Es roch nach Stroh und Ziegen, auch wenn im Moment keine Tiere hier waren. Die beiden Frauen ließen Richards Körper auf eine der Decken am Boden plumpsen.
    »Ich habe einen Spucknapf bereitgestellt«, erklärte Mara und zeigte auf einen Eimer in der Ecke des Stalls.
    Jana bedankte sich, dann verließ die alte Frau den niedrigen Raum. Die Öllampe, die gerade noch Licht gespendet hatte, nahm sie mit. Janas Augen mussten sich an die Dunkelheit gewöhnen. Zum Glück war der Himmel wolkenlos,

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