Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
wird Desidea sich darum kümmern«, sagte sie entschieden.
»Es stört Euch also nicht, dass ich unverheiratet bin?«, fragte Jana, immer noch verblüfft. Sie konnte einfach nicht glauben, dass eine Dominikanerin derart tolerante Ansichten vertrat.
Carmela lachte: »In diesem Kloster wohnen Frauen, die nachts zu ihren alten Göttern beten und bravere Christen sind als so mancher Bischof. Wir haben Frauen, die von den Spaniern auf grausamste Weise geschändet wurden und unter Schmerzen ihre Kinder zur Welt gebracht haben, die sie so innig lieben, wie Mütter ihre Kinder nur lieben können. Wer bin ich, dass ich über andere urteile?«
»Ihr seid sehr großzügig«, sagte Jana beeindruckt.
»Großzügig und verschwiegen. Wollt Ihr mir Euer Herz ausschütten? Ich bin zwar kein Priester, der die Beichte abnehmen kann. Aber manchmal ist es hilfreich, mit jemandem zu reden, auch wenn man hinterher nicht die Absolution erhält.«
Jana zögerte. Sollte sie das Angebot annehmen? Sie vertraute der Spanierin, die ihr Kloster mit ungewöhnlichen Ideen leitete, aber wie würde die Frau reagieren, wenn sie von der Schatzkarte erfuhr? Würde sie auch danach gieren und versuchen, das Dokument an sich zu reißen? Im Moment saß sie abwartend neben Jana.
»Ich glaube, dass es mich erleichtern würde, wenn ich mit jemandem über die Ereignisse der letzten Wochen reden könnte«, meinte Jana vorsichtig.
»Dann sprecht aus, was Euch belastet«, forderte Carmela freundlich.
Jana holte weit aus und begann mit ihrer geplanten Hochzeit in Prag. Sie erzählte vom Tod ihres Vaters, dem geheimnisvollen Manuskript und von Conrad. Mit jedem Satz, den sie sprach, schien der Ballast, den sie seit Wochen mit sich herumschleppte, an Gewicht zu verlieren. Jana beendete ihre Ausführungen erst mit der Ankunft im Kloster.
Als sie ihren Bericht abschloss, war die Sonne längst untergegangen, tief hängender Nebel lag über den Bergspitzen und verdeckte Sterne und Mond. Schwester Carmela entzündete geschickt eine Öllampe, die neben der Bank stand. Im flackernden Schein der Flamme tauchte das Gesicht der Nonne wieder auf. Es lag echte Besorgnis darin.
»Es ist traurig, dass Ihr Euren Vater verloren habt und auch der Diener von Master Walton sterben musste. Aber ich denke, dass weder der eine noch der andere ein Recht auf die Karte hatte, die immer noch in Eurem Besitz ist.«
Erstaunt horchte Jana auf. »Seid Ihr auch der Meinung, dass es die Karte des Papstes ist?«
Carmela schüttelte den Kopf: »Die Karte führt zu einem Schatz, der dem Volk der Muiscas gehört.«
»Ihr meint, das Gold gehört den Göttern, denen die Einheimischen es geopfert haben?«
»Aus welchem Grund auch immer die Muiscas ihr Gold im See versenkt haben. Es gehört ihnen. Meine Worte mögen seltsam klingen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass in diesem Land bereits viel zu viel Blut vergossen wurde. Es kann nur ein gottgefälliges Ziel geben: den Frieden. Wir werden ihn aber nicht erringen, solange wir nach Schätzen suchen, die uns nicht gehören.«
Jana schluckte betroffen. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass Carmela recht hatte. Aber dann wieder dachte sie praktisch. Welchen Zweck hatte Gold am Grund eines Sees, wenn es doch so viel Gutes gab, was man damit tun könnte.
»Ich sehe, dass in Eurem Kopf viele Fragen beantwortet werden wollen«, sagte die Äbtissin. »Ich werde Euch jetzt allein lassen, damit Ihr in Ruhe über Eure Entscheidungen nachdenken könnt.«
»Und wenn ich falsch entscheide?«, fragte Jana gequält.
Schwester Carmela lächelte milde: »Wir sind Menschen, und wir machen Fehler. Würden wir immer richtig entscheiden, wären wir Gott.«
Die Äbtissin ergriff Janas Hand. Sie war warm und klein und fühlte sich seltsam stark an.
»Dieses Kloster steht allen Frauen offen, die darum bitten. Eine Apothekerin, die sich auch in der Heilkunst versteht, ist uns besonders willkommen.«
»Danke«, sagte Jana.
Als sie in die Gästekammer trat, erkannte sie sofort, dass Richard noch munter war. Nach der wochenlangen Reise wusste sie, wie sein Atem klang, wenn er schlief. Die Kammer war winzig klein, aber sauber. Ein relativ breites Bett stand an der Wand, in dem sie beide Platz hatten. Es war nicht das erste Mal, dass sie so eng nebeneinander schlafen würden. Sie setzte sich auf die Bettkante. Leise zog sie ihre Schuhe und ihren Mantel aus und kroch vorsichtig unter die Decke, die frisch gewaschen roch. Als sie sich zu der Öllampe beugte,
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