Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
die Schwester Carmela ihr mitgegeben hatte, um die Flamme auszublasen, drehte sich Richard zu ihr.
»Wo seid Ihr so lange gewesen? Ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte er vorwurfsvoll.
»Ich habe im Garten gesessen und mich mit Schwester Carmela unterhalten.«
»Um diese Tageszeit? Es ist seit Stunden dunkle Nacht.«
»Seit wann sorgt Ihr Euch um mich?«
»Keine Ahnung«, murrte Richard verärgert. »Diese ganze Reise ist absurd, und ich verliere langsam den Verstand.«
Jana drehte sich zu ihm.
»Das Gegenteil ist der Fall«, sagte sie ernst. »Seit Ihr weniger Zuckerrohrbrand in Euch schüttet, seid Ihr im Besitz Eurer Sinne.«
»Ich bin nicht sicher, ob das gut ist.«
Eine Pause entstand, und Jana spürte, dass er noch etwas sagen wollte.
»Jana, ich …«, etwas in seiner Stimme ließ sie aufhorchen und ein Stück zurückweichen. Eine bislang unbekannte Zärtlichkeit lag darin.
»Ich fürchte, ich habe mich in Euch verliebt«, gestand Richard.
Janas Herz begann schneller zu schlagen. Hatte sie nicht eben Schwester Carmela versichert, dass Richard kein Interesse an ihr hatte? Und was war mit ihr? Fand sie den traurigen Mann mit der tragischen Vergangenheit nicht auch anziehend?
Im Halbdunkel der Öllampe wirkten seine dunkelbraunen Augen samtig weich wie seine Stimme. Jana wandte ihren Blick ab, aus Angst, sich sonst darin zu verlieren. Zärtlich ergriff Richard ihre Hand und zog sie zu sich.
»Du willst es doch auch«, sagte er und küsste ihre Hand. So wie damals an der Quelle in den Anden ging ein Kribbeln durch Janas Körper. Langsam strich Richard eine der blonden Strähnen aus ihrer Stirn und legte sie hinter ihr Ohr. Er beugte sich über sie und hauchte einen Kuss auf ihren Hals. Ein Geruch nach herber Seife ging von ihm aus. Aber Jana konnte keinen Zuckerrohrbrand ausmachen. Als er den Kopf wieder hob, lag eine einzige Frage in seinen Augen. Wenn Jana sie nicht eindeutig beantwortete, würde sie es ewig bereuen. Als sie nicht zurückwich, zog Richard sie näher zu sich. Seine Lippen berührten die ihren sanft, und Jana war überrascht, wie weich sie waren. Ihr eigenes Verlangen verwirrte und entsetzte sie zu gleichen Teilen.
Als der zärtliche Kuss fordernder und leidenschaftlicher wurde, rückte Jana von ihm ab.
»Wir dürfen das nicht tun«, keuchte sie entschieden und konnte nicht glauben, wie viel Enttäuschung in ihrer eigenen Stimme lag.
»Wir sind am Ende der Welt. Wir dürfen alles«, sagte Richard und beugte sich erneut zu ihr. Er küsste zuerst ihren Hals, dann ihre Schulter. Aber Jana stemmte beide Hände gegen seine Brust.
»Du bist verheiratet. Deine Frau wartet in England auf dich. Sie hat ein Recht darauf, dass du ihr treu bleibst.«
Abrupt setzte Richard sich auf und lächelte schief. Eine seiner dunklen Haarsträhnen war ihm in die helle Stirn gefallen, und er sah so attraktiv aus, dass es Jana die Kehle zuschnürte. Erneut wich sie seinem Blick aus.
»Du forderst für eine Frau ein Recht ein, die du gar nicht kennst?«, fragte er belustigt.
»Ich habe Conrad versprochen, ihn zu heiraten«, sagte Jana leise.
»Conrad ist tot!« Richards Lächeln war verschwunden. Er musterte Jana ernst.
»Das mag sein. Aber sollte ich mich je für einen anderen Mann entscheiden, dann nicht für den Ehemann einer anderen Frau, der noch dazu Vater von zwei kleinen Kindern ist. Ich könnte mit der Schuld, die ich damit auf mich lade, nicht leben.«
»Wie willst du etwas zerstören, was längst kaputt ist?«
»Ich könnte dennoch nicht damit leben.«
Jana konnte nicht erkennen, was hinter Richards Stirn vor sich ging. Seine Mimik verriet nicht, was er dachte oder fühlte. Plötzlich war er wieder der unnahbare Mann, dessen bester Freund die Alkoholflasche war. Nach einer schier endlosen Pause meinte er schulterzuckend: »Schade!«
Auch Jana fand es schade, sprach es aber nicht aus. Dann löschte sie die Öllampe und legte sich an den äußersten Rand des Bettes. Richard rollte sich auf dem anderen Ende zusammen. Jana lag noch lange wach, und sie wusste, dass auch Richard nicht schlafen konnte, sein unregelmäßiger Atem verriet ihn. Aber Jana hütete sich davor, ihn erneut anzusprechen. Irgendwann fielen ihr die Augen zu, und sie tauchte in einen unruhigen Schlaf.
Als Jana am nächsten Morgen neben Richard erwachte, tat er so, als wäre letzte Nacht nichts geschehen. Jana war ihm dankbar dafür. Sie verbrachten die nächsten Tage im Kloster der Dominikanerinnen, schliefen aber auf
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