Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
wieder zurück«, sagte Assante.
»Glaubst du wirklich, dass sie uns wieder zurückfahren lassen?«
Einer der Männer legte seine Hand auf Conrads Schulter und legte die Finger der anderen Hand über seinen Mund. Conrad kapierte, dass sie den Mund halten sollten.
Sie lachen über uns, aber wir dürfen uns nicht unterhalten, dachte Conrad bitter. Aber da nahm der kleine Mann seine Finger wieder vom Mund weg und zeigte mit der ausgestreckten Hand nach rechts. Zuerst konnte Conrad nichts Ungewöhnliches erkennen, aber als er noch einmal hinsah, sah er ein kleines Krokodil am Ufer liegen. Davor schwammen mindestens drei weitere im Wasser. Es waren nur ihre Augen zu sehen.
Ein eiskalter Schauer rieselte über Conrads Rücken. Die feinen Härchen in seinem Nacken stellten sich auf. Krokodile kannte er bis jetzt nur in ausgestopfter Form. Manche Apotheker leisteten sich die toten Tiere, um sie an die Decke ihrer Verkaufsläden zu hängen. Damit wollten sie ihren Kunden zeigen, wie außergewöhnlich und exotisch ihre Medikamente waren. Selbst in Europa wusste man, wie gefährlich diese Reptilien waren. Die Zähne von Krokodilen galten als Talisman und ihre getrocknete Haut als Potenzmittel. Angeblich konnten sie einen Mann mit einem einzigen Biss in der Mitte entzweireißen.
Assante schienen ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen. Mit angstgeweiteten Augen starrte er auf die Tiere, die im Moment reglos im Wasser und auf dem Land lagen. Eines davon war mindestens dreimal so lang, wie Assante groß war.
Ohne Wellenschlag und Geräusch glitt das Boot in einigem Abstand an den Tieren vorbei. Erst als sie außer Sichtweite waren, atmete Conrad erleichtert auf. Der kleine Mann mit der üppigen Kette grinste ihn zufrieden an. Er legte eine Reihe überraschend weißer Zähne frei und klopfte Conrad anerkennend auf die Schulter. Was immer die vier Männer mit ihnen vorhatten, im Moment schienen sie ihnen wohlgesonnen zu sein.
Die Sonne war bereits vollständig untergegangen, als das Boot an einer sandigen, seichten Uferstelle anhielt. Mehrere Feuer brannten, und Conrad konnte eine kleine Ansammlung einfacher Hütten aus Stroh und Holz erkennen. Alle standen auf Pfählen. Kaum hatten die Bewohner die Ankömmlinge entdeckt, liefen sie neugierig zu ihnen. Nackte Kinder und Frauen mit bloßen Brüsten und winzigen Lendenschürzen. Alle waren mit bunten Ketten aus Holzperlen, Muscheln und Steinen geschmückt. Einige Frauen trugen ihre Kinder in Tüchern, die sie seitlich auf der Hüfte oder direkt vor der Brust gespannt hatten. Die Menschen waren alle ebenso klein wie die vier Männer, hatten schwarzes Haar und flache Gesichter mit großen mandelförmigen Augen.
Niemand schien ihnen feindlich gesinnt, ganz im Gegenteil, sie nickten ihnen freundlich und neugierig zu. Eine ältere Frau, deren üppiger Busen bis an ihre Hüften reichte, trat auf sie zu. Es fiel Conrad schwer, nicht auf ihren Busen zu starren, nicht weil er ihn anziehend fand, sondern weil es ungewöhnlich und fremd war, einer Frau gegenüberzustehen, die sich selbstsicher in ihrer Nacktheit bewegte. Die Alte sagte etwas in der fremden vokalreichen Sprache. Als weder Conrad noch Assante reagierten, winkte sie beide zum großen Feuer in der Dorfmitte. Hier saßen bereits einige Männer, Frauen und Kinder und aßen mit den Fingern aus einfachen Holzschalen. Einige nickten ihnen lächelnd zu.
Die alte Frau bedeutete ihnen, sich zu setzen, und ging zu einem der Töpfe, die sich über dem Feuer befanden. Sie füllte zwei Holzschalen mit etwas Dampfendem und kam wieder zurück. Dann reichte sie Conrad und Assante je eine Schale. Die beiden verneigten sich, in der Hoffnung, dass dies ihre Dankbarkeit zum Ausdruck brachte.
Assante benutzte geschickt seine Finger als Löffel. Conrad ekelte es davor, den unbekannten Brei auf seine Finger zu schaufeln. Da er aber von der alten Frau und einigen anderen Dorfbewohnern genau beobachtet wurde, tat er es Assante gleich.
Das Zeug schmeckte grauenhaft, fett und bitter. Conrad aß es trotzdem, nickte seiner Gastgeberin immer wieder zu und versuchte, seinen Würgereflex zu unterdrücken und trotzdem zu lächeln. Assante schien an der Nahrung nichts auszusetzen zu haben. Er aß mit Begeisterung, als hätte er nie zuvor etwas Köstlicheres geschmeckt.
Die Alte grinste zufrieden und verschwand in einer der Hütten. Etwas später kam sie mit einer jungen Frau an der Hand zurück. Conrad fiel sofort auf, dass die Frau im Gegensatz zu
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