Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
Vom Netzwerk:
den anderen Dorfbewohnern ein buntes Kleid trug und mindestens einen halben Kopf größer war. Sie hatte ebenfalls schwarze Haare, die sie im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden trug. Ihre Hautfarbe war heller als die der anderen. Sie trug weder bunte Bänder, noch war sie mit Muscheln oder Federn geschmückt. Um ihren Hals hing eine Kette aus purem Gold. Bereits aus der Ferne erkannte Conrad, dass es sich um ein aufwendig verarbeitetes Schmuckstück handelte. Auf jedem Königshof in Europa hätten die Frauen sich um dieses Schmuckstück gestritten. Seine Besitzerin bewegte sich elegant, und die Art ihrer aufrechten Haltung deutete darauf hin, dass sie es gewohnt war, zu befehlen. Von der alten Frau geschoben, trat sie zu Conrad und Assante.
    »Ajar bittet mich, Euch in ihrem Namen willkommen zu heißen«, sagte die Frau in gebrochenem Spanisch mit starkem Akzent.
    Am liebsten wäre Conrad ihr dankbar um den Hals gefallen. Seine Spanischkenntnisse waren im Vergleich zum Latein bescheiden, doch er verstand vieles und konnte sich in einfachen Sätzen verständlich machen. Wie viel einfacher war das Leben, wenn man sich unterhalten konnte.
    Fines linguae nostrae fines mundi sunt, schoss es ihm durch den Kopf, »die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen der Welt«. Laut sagte er: »Es freut mich, dass wir uns unterhalten können. Mein Name ist Conrad Pfeiffer, ich bin Arzt aus Wien, einer Stadt in Europa, und das ist mein Freund Assante. Er ist ein gelehrter Mann, der schon weit gereist ist.«
    »Ihr wollt sagen, er ist Euer Sklave«, sagte die Frau scharf, aber Conrad schnitt ihr energisch das Wort ab.
    »Nein, Assante ist ein freier Mann wie ich.«
    Zu Conrads Überraschung breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht der Frau aus, es ließ sie sympathisch und anziehend aussehen.
    »Das freut mich«, sagte sie und schenkte auch Assante ein gewinnendes Lächeln.
    »Mein Name ist Tica«, erklärte sie. »Ich habe beim Stamm der Warao Schutz, Sicherheit und Unterkunft gefunden.«
    »Schutz vor wem?«, fragte Conrad neugierig.
    »Vor Menschen wie Euch«, sagte Tica kalt. »Weißen, die in unser Land eindringen, uns verjagen, töten, unsere Kultur zerstören, unsere Schätze rauben und uns zu Sklaven machen.«
    Conrad antwortete nicht. War er nicht auch aufgebrochen, um einen Schatz zu finden, der ihm nicht zustand?
    Eine etwas jüngere Frau näherte sich der Alten. Sie hatte zwei riesige Blätter in der Hand, auf denen sich etwas befand, das Conrad noch nicht erkennen konnte. Die Alte nickte ihr zu und schob sie zu Conrad und Assante. Die Brüste der jungen Frau waren ebenfalls nackt, und nun fiel es beiden Männern schwer, nicht darauf zu starren. Die Brüste waren ausgesprochen wohlgeformt. Lächelnd reichte die junge Frau ihnen das Blatt, das als Teller diente, und forderte sie auf zu essen.
    Tica stand immer noch neben ihnen und erklärte: »Ihr bekommt gerade die Spezialität der Waraos, Maden.«
    »Maden?«, fragte Conrad entsetzt.
    »Die Waraos fällen die Moriche-Palme. Sie ist ihnen heilig, deshalb darf nichts davon vergeudet werden. Sie höhlen die Palme aus und bauen ihre Einbaum-Kanus. Aus den übrigen Teilen machen sie Hängematten und Körbe. Das Harz wird zum Kochen verwendet. Und was sie liegen lassen, dient als Brutstätte der Maden. Die Maden sind außerordentlich nahrhaft. Es ist eine große Ehre, wenn man sie serviert bekommt.«
    »Ihr esst nicht davon?«, fragte Conrad.
    Tica schüttelte den Kopf: »Ich bin bereits satt.«
    »Ich auch«, dachte Conrad, bemüht, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten.
    »Es schmeckt vorzüglich«, sagte Assante, der weitaus mutiger war und bereits gekostet hatte.
    Conrad erinnerte sich daran, dass die Mönche in Bordeaux fette Weinbergschnecken gegessen hatten, viel schlimmer konnten Maden auch nicht sein. Er hielt den Atem an und steckte ein paar Maden in den Mund. Die prallen Körper platzten in seinem Mund wie überreife Weintrauben auf. Am liebsten hätte Conrad den Brei augenblicklich ausgespuckt. Nur widerwillig schluckte er ihn und konnte seinen Ekel nur mühsam verbergen.
    Den Rest des Abends erfreuten sich die Waraos daran, ihre Gäste weiter zu bewirten. Sie tanzten ausgelassen ums Feuer und richteten Conrad und Assante bequeme Hängematten unter einem der Strohdächer des Dorfes.
    »Hier schläft niemand auf dem Boden«, erklärte Tica und wünschte den beiden eine gute Nacht.
    Als Assante es sich in seiner Hängematte aus geflochtenen Lianen

Weitere Kostenlose Bücher