Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
ermüden. Es ist wohl besser, wir beenden die Unterhaltung, und Ihr ruht Euch aus«, sagte Ignazio verärgert. Er stand auf und beendete damit das Tischgespräch.
Edmundo schimpfte unverständliche Worte, aber Jana hörte sie nicht mehr, sie war aufgestanden, sobald Ignazio das Essen beendet hatte, und eilte, so schnell sie konnte, in die Gästekammer.
Als Richard und Tom ihr folgten, lag Jana bereits in einem der Betten. Sie stellte sich schlafend. Nach den Enttäuschungen des Nachmittags und den Aufregungen des Abends hatte sie keine Lust, sich mit einem der beiden zu unterhalten. Sie versuchte sich Conrads Bild in Erinnerung zu rufen, aber es wollte einfach nicht gelingen. Sie sah seine rotblonden Haare und seine Sommersprossen, aber sie schaffte es nicht, seine Augen oder sein Lächeln heraufzubeschwören. Auch die salzigen Tränen, die sie schluckte, änderten daran nichts. Ihr Kopf blieb leer, und alles, was sie nach einer Weile sah, war das gehässige Gesicht des alten Edmundo, der ihr wissend auf den Busen starrte.
Kurz vor Barinas,
März 1619
Seit sie frühmorgens aufgebrochen waren, redete Bonifàcio ununterbrochen. Er bewunderte die Pflanzen, die Berge, die Vögel. Der Jesuit hatte schon vor Stunden aufgehört, dem schwachsinnigen Jungen zuzuhören, der sich ständig wiederholte.
Nun schien er aber vehement auf einer Antwort zu beharren. Er würde nicht weitereiten, bevor der Mönch mit ihm gesprochen hatte. Trotz seiner Sanftheit konnte Bonifàcio einen fast beängstigenden Starrsinn an den Tag legen. Der Junge hatte sein Maultier angehalten und sah nun seinen Begleiter erwartungsvoll an.
Der seufzte schwer und stellte sich selbst wieder einmal die Frage, warum er den Jungen nicht einfach in Caracas zurückgelassen hatte. Oder besser noch, ihm einfach sein Messer in den Bauch rammte und sich ein für alle Mal von ihm befreite.
Aber statt den Gedanken weiterzuspinnen, fragte er ungehalten: »Was gibt es jetzt schon wieder?«
Der Junge sagte etwas Unverständliches.
»Rede deutlicher«, befahl der Jesuit barsch. Auch wenn er sich in den letzten Tagen an die verwaschene, viel zu schnelle Sprache des Jungen gewöhnt hatte, fiel es ihm nach wie vor schwer, ihn zu verstehen, und manchmal nervte es ihn, sich auf die Worte zu konzentrieren. Außerdem ekelte ihm davor, den speicheltropfenden Mund anzusehen.
Bonifàcio richtete sich auf, wischte sich die Spucke vom Mund und versuchte es noch einmal: »Was machen wir in Barinas?«
Der Jesuit lenkte sein Pferd neben das von Bonifàcio.
»Ich habe es dir schon erklärt. Du wirst ins Kloster der Jesuiten gehen, und ich werde zwei Diebe suchen, die mir in Lissabon etwas gestohlen haben, das ihnen nicht gehört.«
Bonifàcio verzog sein Gesicht. Mittlerweile kannte der Jesuit den Jungen gut genug, um zu wissen, dass ihn noch etwas beschäftigte.
Er seufzte und wartete auf die Frage.
»Diebe sind gefährlich. Ich komme mit Euch und beschütze Euch.«
Der Jesuit schüttelte entschieden den Kopf. Was Bonifàcio sich wünschte, durfte er auf keinen Fall erlauben. Es war höchste Zeit, den Jungen loszuwerden.
»Nein«, sagte er so scharf, dass jeder andere Gesprächspartner erschrocken zurückgewichen wäre. Aber Bonifàcio zuckte nicht einmal mit der Wimper und blieb von der Wut des Jesuiten völlig unberührt.
»Bonifàcio ist stark. Er kann Euch beschützen.« Wieder wurden die Worte undeutlich, die Aussprache breit und verwaschen.
Der Jesuit schüttelte erneut den Kopf. »Hör auf, von dir selbst in der dritten Person zu reden, du bist kein Kleinkind«, herrschte er den Jungen an.
Bonifàcio verbesserte sich, blieb aber beharrlich: »Ich bin stark und kann Euch beschützen.«
»Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Nein, das könnt Ihr nicht. Jemand hat Eure Finger abgeschlagen.«
»Das war ein Unfall«, erklärte der Jesuit. Das Gespräch verlief ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Warum gab er dem sabbernden Schwachkopf Antworten wie einem erwachsenen Mann?
»Und das Gesicht?«
Die Worte trafen den Mönch völlig unerwartet. Erschrocken fuhr er zurück. Wie konnte es sein, dass Bonifàcio sein Gesicht gesehen hatte? Er hatte die Kapuze nie zurückgeschlagen und seine Entstellung stets vor dem Jungen verborgen. Den Anblick seiner Narben hatte er Bonifàcio ersparen wollen.
»Ich habe Euer Gesicht gesehen. Im Schlaf.«
»Das kann nicht sein«, sagte der Jesuit tonlos.
Aber Bonifàcio nickte: »Doch!«
Der Jesuit spürte Scham in einer
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