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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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erleichtert, daß du ein Fremder bist. Ich will dir die ursprünglichste Geschichte der Wasserkanter Riesen erzählen ... das Lied von dem Entwurzelten.«
    Covenant schaute über die glitzrige blaue Trägheit des Seelentrostflusses hinweg und macht sich darauf gefaßt, Schaumfolgers Geschichte vom Anfang bis zum Ende anzuhören. Aber der Riese begann nicht sofort mit dem Vortrag. Statt unverzüglich mit der Geschichte selbst loszulegen, fing er von neuem sein altertümliches, schlichtes Lied zu singen an, entrollte versonnen die Melodie, so daß sie dahinströmte wie der Fluß zum Meer. Er sang für längere Zeit, und unterm Bann seiner Stimme verspürte Covenant immer stärkere Schläfrigkeit. Zuviel Mattigkeit stak ihm in den Knochen, um in seiner Aufmerksamkeit nicht nachzulassen. Während er wartete, hing er am Bug wie ein ermüdeter Schwimmer. Schließlich verfiel der Gesang des Riesen in eine eindringlichere Tonart. Die Melodie nahm eine schärfere Betonung an und ging in die Klangfarbe einer Klage über. Dann sang Schaumfolger Worte, die Covenant verstand.
     
    »Wir sind die Entwurzelten,
    verschollene Weltumfahrer.
    Im Land überm Meer der Sonnengeburt
    wohnten wir, waren daheim und gediehen –
    und wir setzten unsere Segel in den Wind,
    ungeachtet des Schicksals der Verlorenen.
     
    Wir sind die Entwurzelten.
    Von Haus und Herd,
    geweihten Steinheimen, ehrfürchtiger Hände Werk,
    ließen wir, setzten die Segel in der Sterne Wind,
    brachten Leben Ländern rings im Erdenkreis,
    sorglos zu teilen das Schicksal der Verlorenen.
     
    Wir sind die Entwurzelten,
    verschollene Weltumfahrer.
    Von Wüstenküsten zu steilen Klippenklüften,
    Menschenstätten zu Märchenlandufern,
    Traum zu Traum setzten wir die Segel,
    lächelten unterm Regenbogen der Verlorenen.
     
    Nun sind wir Entwurzelte,
    ohne Wurzeln, Sprößlinge, Artverwandte.
    Von verheißungsvollen Rätseln
    ließen wir, setzten die Segel nach Haus,
    doch wehte des Lebens Wind wider uns,
    fürs Land überm Meer blieben wir Verlorene.«
     
    Für ein Weilchen schwieg der Riese. »Ach, Stein und See«, rief er dann. »Kennst du die alte Lehrlegende vom wunden Regenbogen, Thomas Covenant? Es heißt, daß es in der düstersten Vergangenheit der Erde an unserem Himmel keine Sterne gab. Das Firmament war eine weite Leere, die uns von der ewigen Heimstätte des Schöpfers trennte. Dort lebte er mit seinem Volk und seinen zahllosen lichten Kindern, die sich zur Musik in Spiel und Frohsinn regten. Eines Tages, während sich die Zeitalter von einer zur anderen Ewigkeit dehnten, sah sich der Schöpfer bewogen, für die glückerfüllten Herzen seiner Kinder etwas Neues zu erschaffen. Er stieg hinab zu den gewaltigen Schmieden und Schmelztiegeln seiner Macht, und dort braute er, hämmerte und formte nie gesehene Wundergebilde. Und als sein Werk getan war, wandte er sich zur Höhe und warf seine mystische Schöpfung an den Himmel – und siehe da, ein Regenbogen breitete seine Arme übers Weltall aus! Beim ersten Anblick seines Werkes war der Schöpfer hoch erfreut. Dann aber betrachtete er den Regenbogen näher – und da sah er hoch im Schimmern der Wölbung eine Wunde, eine Bresche in der Schönheit, die er geschaffen hatte. Er ahnte nicht, daß sein Erzfeind, der Geistdämon von Sumpf und Finsternis, der durch die Eingeweide selbst seiner ewigen Heimstätte kroch, ihn bei der Arbeit gesehen und in den Mörser seiner Schöpfung gespien hatte. Daher war nun der Regenbogen, wie er sich so über den Himmel wölbte, mit einem Makel behaftet. Verdrossen begab sich der Schöpfer erneut ans Werk, um für seine Schöpfung ein Heil zu finden. Doch während er arbeitete, entdeckten seine Kinder, seine zahllosen lichten Kinder, den Regenbogen und frohlockten angesichts seiner Schönheit. Gemeinsam erklommen sie den Himmel und tollten über den Regenbogen, tanzten lustige Tänze auf seinen Farben. Hoch in seiner Wölbung fanden sie die Wunde. Doch sie verstanden sie nicht. Vor Freude sangen sie im Chor und tanzten hindurch, und jenseits der Wunde gerieten sie an unseren Himmel. Diese neue, lichtlose Welt bereitete ihnen noch größeres Vergnügen, und sie wirbelten über den Himmel, bis er vom Glanz ihrer Freude nur so funkelte. Als sie jedoch dieser Kurzweil müde geworden waren, beabsichtigten sie, in ihre Welt des Lichts zurückzukehren. Aber da war ihnen das Tor zur Heimkehr verschlossen. Denn der Schöpfer hatte unterdessen die Schandtat seines Erzfeinds bemerkt – die

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