Der Fluch des Verächters - Covenant 01
andere Hand nehmen und hinterließ keine Spuren irgendeines Klebstoffs. »Vertrau ihm. Vertrau ihm den Ring an und verbirg es unter deiner Gewandung. Dann wird niemand bemerken, daß du einen Talisman wilder Magie bei dir trägst.«
Covenant blickte sofort durch. Er zerrte sich den Ring vom Finger und legte ihn auf das Stück Clingor . Er haftete sicher daran; er konnte den Ring nicht herunterschütteln, doch das Clingor ohne Mühe wieder davon lösen. Er nickte, heftete den Ring in die Mitte des Leders, öffnete sein Hemd und drückte sich das Clingor mitten auf die Brust. Es blieb dort hängen, ohne ihm Unbehagen zu bereiten. Hastig, als müsse er die Gelegenheit wahrnehmen, ehe sie ihm entglitt, knöpfte er sein Hemd wieder zu. Überraschenderweise war ihm zumute, als spüre er das Gewicht des Rings auf dem Herzen, aber er entschloß sich, nicht darauf zu achten. Schaumfolger packte sein Clingor sorgfältig wieder zusammen und schob es zurück unter sein Wams. Danach musterte er Covenant noch einmal für ein Weilchen. Covenant versuchte zu lächeln, irgendwie Dankbarkeit auszudrücken, aber allem Anschein nach war sein Gesicht bloß noch zum Zähnefletschen imstande. Schließlich wandte er sich ab und nahm wieder im Bug des Bootes Platz, um nach vorn auszuschauen und sich in Gedanken mit dem zu befassen, was der Riese für ihn getan hatte. Nachdem er eine Zeitlang gegrübelt hatte, erinnerte er sich an Atiarans Steinmesser. Es ermöglichte ihm eine Form der Selbstdisziplinierung, deren er dringend bedurfte. Er beugte sich über die Seite des Boots, um sein Gesicht zu befeuchten, dann nahm er das Messer zur Hand und begann sich, angefangen bei den Koteletten, peinlich genau zu rasieren. Sein Bart war acht Tage alt, aber die scharfe, glatte Klinge glitt geschmeidig über seine Wangen und am Hals hinab, und es gelang ihm eine recht anständige Rasur, ohne daß er sich schnitt. Doch er war bereits außer Übung, nicht länger an das Risiko gewöhnt; der Gedanke an Blut brachte sein Herz ins Flattern. Daran erkannte er deutlich, daß es allerhöchste Zeit war, in seine eigene Welt zurückzukehren, damit er sich wieder zurechtstauchen konnte und nicht seine Fähigkeit verlor, als Lepraleidender zu überleben.
Später am Tage regnete es; ein leichter Nieselregen fiel, der auf dem Wasserspiegel des Flusses schäumte, das Spiegelbild des Himmels zu Myriaden von winzigen Stückchen zerschlug. Die Regentröpfchen prickelten in Covenants Gesicht wie Gischt, durchdrangen allmählich seine Kleidung, bis er sich so naß und unbehaglich fühlte, als wäre er im Fluß selbst gewesen. Aber er ertrug diesen Zustand in grauer, stumpfsinniger Ergebenheit, während er darüber nachdachte, was er dadurch, daß er seinen Ring versteckte, gewonnen und verloren haben mochte.
Dann endete auch dieser Tag. Dunkelheit sickerte in die Luft, als trübe sich der Regen, und Covenant und Schaumfolger aßen im Dämmerlicht wortkarg ihre Abendmahlzeit. Der Riese war beinahe zu schwach, um selber zu essen, aber dank Covenants Unterstützung konnte er eine hinreichende Mahlzeit einnehmen und sich eine beachtliche Menge Diamondraught einverleiben. Danach gingen sie wieder in ihren verschiedenen Arten des Schweigens auf. Covenant war froh um den Anbruch der Dunkelheit; er ersparte ihm den Anblick von Schaumfolgers Erschöpfung. Da er einen Widerwillen dagegen empfand, sich auf den nassen Planken auszustrecken, kauerte er sich in seinem feuchten, unterkühlten Zustand an die Seitenwand des Bootes und versuchte sich zu entspannen und Schlaf zu finden. Nach einiger Zeit begann Schaumfolger leise zu singen.
»Stein und See sind tief im Leben,
sind die Wahrzeichen der Welt:
dauerhaft verharrend, dauerhaft sich regend,
Teilhaber der Kraft, die ewig währt.«
Das Lied flößte ihm, so konnte man meinen, neue Kräfte ein, und mit deren Hilfe steuerte er das Boot gleichmäßig gegen die Strömung, lenkte es nordwärts, als gäbe es gar keine Ermüdung, die ihn hindern könne. Schließlich hörte es auf zu regnen; die Wolkendecke trieb langsam auseinander. Aber Covenant und Schaumfolger fanden in der Klärung des Himmels keinen Trost. Überm Horizont stand wie eine Blutblase der Mond vorm Hintergrund des empörten Sternenhimmels, wie eine Pestbeule. Er verwandelte das Umland in ein dumpfiges Blutgemälde voller dunkelroter Farbtöne und flüchtiger Gebilde gleich unvollendeten Mordgedanken. Und sein Licht verbreitete eine eitrige Ausstrahlung, als
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