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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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handeln, überleben. Das hatte er schon gelernt, ehe er einem Traum zum Opfer fiel. Hatte er diese Lektion nicht schon im Leprosorium gelernt, in Fäulnis und Erbrochenem? O doch, o doch! Überleben! Dieser Traum aber verlangte von ihm, daß er Macht aufbot, ein Schlachten beendete; Eindrücke wirbelten ihm durch den Kopf wie verzerrte Abbilder in den Scherben eines Spiegels: Joan, Polizeiwagen, Seibrichs lavarote Augen. Er torkelte, als müsse er stürzen. Um sein plötzliches Unwohlsein zu überspielen, entfernte er sich von Schaumfolger und setzte sich in den nach Norden gerichteten Bug. »Eine Geschichte«, sagte er schwerfällig. Doch, er kannte eine Geschichte – eine Geschichte, die viele schäbige, buntscheckige Tarnkleider besaß. Rasch wählte er unter ihren Verkleidungen, stellte hastig zusammen, was so zueinanderpaßte, daß er damit alles zum Ausdruck bringen konnte, was auszudrücken er das Bedürfnis hegte. »Gut, ich werde dir eine Geschichte erzählen. Eine wahre Geschichte.« Er stützte sich aufs Dollbord und kämpfte gegen sein Schwindelgefühl an. »Es ist eine Geschichte über den Kulturschock. Weißt du, was das ist. Kulturschock?« Schaumfolger ging nicht auf die Frage ein. »Egal. Ich erkläre es dir kurz. Kulturschock ist das, was einem Menschen widerfährt, wenn man ihn aus seiner gewohnten Welt reißt und an einen Ort bringt, wo die Voraussetzungen, die ... die Maßstäbe, welche man einer Person anlegt, so verschieden sind, daß er sie unmöglich begreifen kann. Er ist ganz einfach nicht dafür geschaffen. Wenn er ... anpassungsfähig ist, kann er sich vielleicht verstellen, bis er in seine eigene Welt heimkehrt. Oder er bricht zusammen und wird zu irgend etwas anderem zurechtgeformt. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Dafür will ich ein Beispiel erzählen. Als ich im Leprosorium war, sprachen die Ärzte über einen Mann wie mich ... einen Leprakranken. Einen Aussätzigen. Er war ein klassischer Fall. Er stammte aus einem fremden Land, wo die Leprose viel häufiger auftritt, und mußte sich dort als Kind den Bazillus geholt haben. Jahre später, als er eine Frau und selber drei Kinder hatte und in einem anderen Land wohnte, starben plötzlich in seinen Zehen die Nerven ab, und er erblindete. Na, wäre er daheim in seinem Land geblieben, er hätte ... die Krankheit ist dort häufig ... sie wäre früher erkannt worden. Sobald man sie bemerkte, hätte man ihn ... und seine Frau ... und seine Kinder ... und alles, was er besaß ... sein Haus ... auch seine nächsten Verwandten ... ja, alles das hätte man für unrein erklärt. Sein Eigentum, das Haus und die Tiere wären zu Asche verbrannt worden. Und er, seine Frau, die Kinder und die Verwandten hätte man in ein Dorf geschickt, wo andere Menschen mit der gleichen Krankheit leben und die größte Armut herrscht. Dort hätte er den Rest seines Lebens verbracht ... ohne Behandlung ... ohne Hoffnung ... während fürchterliche Geschwüre ihm die Arme und Beine zerfräßen und sein Gesicht entstellten ... bis er, seine Frau, die Kinder und die Verwandten alle am Wundbrand gestorben wären. Hältst du das für grausam? Laß mich erzählen, wie es dem Mann statt dessen erging. Als er seine Erkrankung festgestellt hatte, wandte er sich an seinen Arzt. Der Arzt schickte ihn ins Leprosorium – allein, ohne seine Familie –, wo es gelang, das weitere Fortschreiten der Krankheit zu verhindern. Er erhielt die richtige Behandlung, Medizin und Unterweisung – wurde rehabilitiert. Dann schickte man ihn nach Hause, damit er bei Frau und Kindern wieder ein ›normales‹ Leben führen könne. Wirklich nett. Es gab nur ein Problem. Er fand sich nicht damit zurecht. Zuerst einmal machten ihm seine Nachbarn das Leben sauer. Gewiß, anfangs ahnten sie gar nichts von seiner Krankheit – Leprose war ihnen nicht geläufig, sie verstanden davon nichts –, aber dann druckte die Lokalzeitung über ihn einen Artikel, so daß danach jeder im Ort wußte, er war der Leprakranke . Sie mieden ihn, haßten ihn, weil sie nicht wußten, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollten. Zudem ergaben sich Schwierigkeiten bei seiner Selbstbehandlung. In seinem Heimatland kannte man keine Medikamente und Therapien für Leprakranke, und tief in seinem Innern glaubte er, daß solche Dinge Zauberei seien, daß er, da seine Krankheit zum Stillstand gekommen war, geheilt wäre ... gerade noch einmal vor etwas bewahrt worden, das schlimmer ist als eine Hinrichtung. Aber

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