Der Fluch des Verächters - Covenant 01
persönlicher Natur nach. »Deshalb schworen wir den Eid. Auf andere Weise hätten wir diese Großmut niemals erwidern können.«
»Ist das eure Antwort auf den Tod?« Covenant rang mit seinem Mitgefühl, versuchte Bannors Auskünfte in begreifliche Proportionen zu bringen. »Ist das die Art, wie man hier im Land die Dinge handhabt? Vollbringt ihr einfach, sobald ihr in Schwierigkeiten kommt, das Unmögliche? So wie Berek?«
»Wir haben den Eid geschworen. Der Eid ist das Leben. Die Verderbnis ist der Tod.«
»Aber für zweitausend Jahre?! « begehrte Covenant auf. »Verdammnis! Das sind ja nicht mal anständige Arbeitsbedingungen. Glaubt ihr nicht, daß es jetzt allmählich langt?«
»Du kannst uns nicht verderben«, erwiderte der Bluthüter in gewohnter Ausdruckslosigkeit.
»Verderben? Ich will überhaupt niemanden verderben. Von mir aus könnt ihr den Lords dienen, bis ihr schwarz werdet. Ich spreche von deinem ganz persönlichen Leben, Bannor! Wie lange kann denn jemand so dienen, ohne sich bloß ein einziges Mal zu fragen, ob's das wert ist? Der Stolz oder wenigstens der gesunde Menschenverstand verlangen das, zur Hölle!« Er vermochte nicht zu begreifen, wie selbst ein kerngesunder Mann angesichts von so übermäßig viel Dasein keine Neigungen zum Freitod zeigen konnte. »So was ist doch kein Pappenstiel ... Ich meine ... du bist doch ein Mensch. Für die Unsterblichkeit bist du nicht geboren.«
Gleichgültig zuckte Bannor mit den Achseln. »Was bedeutet Unsterblichkeit? Wir sind die Bluthüter. Wir kennen nur das Leben oder den Tod ... den Eid oder die Verderbnis.«
Ein Augenblick verstrich, bevor sich Covenant daran erinnerte, daß Verderbnis der Name war, den die Bluthüter Lord Foul angehängt hatten.
»Ja, natürlich, ich verstehe«, sagte er schließlich mit einem Aufstöhnen. »Ihr lebt für immer, weil euer reiner, sündenfreier Dienst völlig und unwiderruflich aller Bürden und Schwächen bloßen Menschentums enthoben ist. Ach, sieh an, die Vorteile eines sauberen Lebenswandels.«
»Von derlei wissen wir nichts.« Bannors ungefüger Tonfall hallte merkwürdig. »Kevin hat uns gerettet. Woher sollten wir wissen, was in seinem Herzen vorging? Er sandte uns alle in die Berge ... in die Berge. Wir stellten ihm Fragen, aber er befahl. Er nahm uns bei unserem Eid. Wir sahen keinen Anlaß zum Ungehorsam. Woher hätten wir wissen können, was seine Erwägungen waren? Wir hätten ihm auch zur Zeit der Schändung zur Seite gestanden ... wären bei ihm geblieben oder hätten sie verhindert. Aber er rettete uns, die Bluthüter ... die wir geschworen hatten, um jeden Preis sein Leben zu bewahren.«
Rettete uns , dachte Covenant grämlich. Er spürte die unbeabsichtigte Grausamkeit von Kevins Tat. »Also wißt ihr gar nicht, ob alle diese Jahre des Lebens richtig waren oder falsch«, sagte er entgeistert. Wie haltet ihr das nur aus? »Vielleicht ist euer Eid bloß noch ein Hohn.«
»Es gibt keine Anschuldigung, die ihren Finger wider uns erheben und bestehen kann«, behauptete Bannor. Doch für einen Augenblick klang seine Leidenschaftslosigkeit ein bißchen weniger unerschütterlich.
»Nein, ihr besorgt das alles selber.« Darauf reagierte Bannor mit bedächtigem Blinzeln, als besäßen weder Vorwürfe noch Freisprüche irgendeine Bedeutung neben dem von alters her überlieferten Blickwinkel seiner Ergebenheit. Einen Moment später winkte eine der Wachen Covenant zu, daß er in die Klause zurückkehren solle. Bestürzung bedrückte Covenants Herz. Sein von Entsetzen getränktes Mitleid für Bannor verringerte seinen Mut; er fühlte sich nicht dazu in der Lage, den Lords gegenüberzutreten, sich ihren Fragen zu stellen. Er raffte sich hoch, als müsse er sofort wieder ins Wanken geraten, zögerte dann. »Verrate mir noch eines«, sagte er hastig, als Bannor ihn vorwärts schieben wollte. »Lebte deine Frau noch, und du dürftest sie besuchen, würdest du nach einem solchen Besuch hierher zurückkehren? Könntest du ...« Seine Stimme versagte. »Könntest du das ertragen?«
Der Bluthüter erwiderte seinen aufmerksamen Blick ohne ein Wimpernzucken, aber hinter seiner unzugänglichen Erscheinung glitten merklich Gedanken wie Schatten vorüber. »Nein«, antwortete er leise.
Covenant atmete schwerfällig, als habe Übelkeit ihn heimgesucht, während er durchs Portal schlurfte und die Stufen hinab zum gelben Glimmen des Glutgesteins stieg. Prothall, Mhoram, Osondrea, Schaumfolger, die vier Bluthüter,
Weitere Kostenlose Bücher