Der Fluch des Verächters - Covenant 01
Urteil über seine Schwäche, sein Leiden. Nur immer vorwärts , sagte sich Covenant in seiner Erbitterung und Enttäuschung. Überleben!
»Bannor«, brummte er, »Mhoram findet, wir sollten uns besser miteinander bekannt machen. Er riet mir nämlich, mir von dir über die Bluthüter erzählen zu lassen.« Bannor zuckte die Achseln, als seien alle Fragen ihm einerlei. »Euer Volk, die Haruchai ...« – Bannor nickte – »wohnt oben in den Bergen. Es kam ins Land, als Kevin Hoch-Lord war. Vor wie langer Zeit war das?«
»Jahrhunderte vor der Schändung.« Der fremdartige Tonfall des Bluthüters klang, als wolle er andeuten, daß solche Zeitmaße wie Jahre und Jahrzehnte keinerlei Bedeutung besaßen. »Zweitausend Jahre.«
Zweitausend Jahre. Covenant dachte an die Riesen. »Deshalb sind also nur noch fünfhundert von euch übrig«, sagte er. »Seit ihr ins Land gekommen seid, sterbt ihr allmählich aus.«
»Die Bluthüter haben immer fünfhundert gezählt. Das entspricht dem Eid. Die Haruchai zählen mehr.« Er sprach den Namen mit leicht gedehntem Zungenschlag aus, der zu seiner Stimme paßte.
»Mehr?«
»Sie leben in den Bergen wie früher.«
»Wie wird denn dann ...? Du sagst das, als wärst du lange Zeit nicht dort gewesen.«
Wieder nickte Bannor knapp.
»Wie behaltet ihr dann hier die Zahl von fünfhundert bei? Ich habe keine ...«
Gleichmütig unterbrach ihn Bannor. »Wenn ein Bluthüter fällt, sendet man seinen Leichnam durch den Hüterstieg in die Berge, und ein anderer Haruchai kommt an seiner Stelle, um dem Eid die Treue zu halten.«
Fällt? fragte sich Covenant verwundert. »Warst du zwischendurch nie daheim? Besuchst du nicht deine ...? Hast du eine Frau?«
»Einstmals hatte ich eine.« Bannors Tonfall blieb unverändert, aber irgendeine Feinheit veranlaßte Covenant dazu, der Antwort erhöhte Bedeutung beizumessen.
»Einstmals?« hakte er nach. »Was ist aus ihr geworden?«
»Sie ist gestorben.«
Eine Regung seines Instinkts warnte Covenant, aber er fragte weiter, angestachelt von der Faszination, die Bannors fremdartige, unerschütterliche Härte auf ihn ausübte. »Wie ... wie lange ist sie denn schon tot?«
Der Bluthüter antwortete ohne den Anflug eines Zögerns: »Zweitausend Jahre.«
Was! Für einen langen Moment stierte Covenant den Bluthüter verblüfft an, während er sich insgeheim Das ist unmöglich, das ist unmöglich! einflüsterte, als befürchte er, Bannor könne seine Gedanken belauschen. Er blinzelte und rang um Selbstbeherrschung. Zwei ...? Was ist denn das? Doch trotz seines Staunens mußte Covenant zugeben, daß Bannors Behauptung sehr überzeugend wirkte. Der gleichgültige Tonfall klang, als wäre es ausgeschlossen, darin eine Unaufrichtigkeit oder auch bloß eine Falschdarstellung auszusprechen. Covenant empfand Entsetzen und mit Widerwillen untermischtes Mitgefühl. In plötzlicher Erkenntnis begriff er den Sinn von Mhorams Beschreibung: › ... und da machten sie sich durch die selbstgewählte Treuepflicht zu Asketen, frauenlos und ältlich.‹ Und geistlos , ergänzte Covenant in Gedanken. Konnte seine Geistlosigkeit, die bereits zweitausend Jahre dauerte, noch Grenzen kennen?
»Wie alt bist du?« stieß er krächzend hervor.
»Ich kam mit den ersten Haruchai ins Land, als Kevin erst seit kurzem Hoch-Lord war. Wir ersten Bluthüter legten unseren Eid gemeinsam ab. Gemeinsam riefen wir die Erdkraft zum Zeugen unserer Bindung an. Nun kehren wir erst heim, wenn wir gefallen sind.«
Zweitausend Jahre , sann Covenant benommen. ›Wenn wir gefallen sind.‹ Das ist unmöglich. Nichts von alldem hier geschieht wirklich. In seiner Verwirrung versuchte er wieder einmal, sich einzureden, es entspränge nur der Überreiztheit seiner Nerven, was er da gehört hatte, sei ein weiterer Beweis für die Unmöglichkeit dieser Welt. Aber er konnte darin nicht länger einen Beweis sehen. Bannors Auskunft rührte ihn, als habe er erfahren, daß der Bluthüter an einer seltenen Form von Lepra leide.
»Warum?« brachte er mühevoll heraus.
»Als wir ins Land kamen, erblickten wir Wunder«, entgegnete Bannor mit unveränderter Ausdruckslosigkeit. »Riesen, Ranyhyn, Schwelgenstein ... Lords von solcher Macht, daß sie uns den Krieg verweigerten, weil er unser sicherer Untergang gewesen wäre. Zur Antwort auf unsere Herausforderung gaben sie den Haruchai Geschenke von solcher Kostbarkeit ...« Er verstummte und wirkte für einen Moment, als hänge er alten Erinnerungen
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