Der Fluch des Verächters - Covenant 01
gleichartige Schweißigkeit. Doch dann stieß Covenant einen zittrigen Seufzer aus, und Mhoram straffte seine Schultern – die Ähnlichkeit verflog.
»Ich war ein Tor«, sagte Mhoram leise. »Ich hätte es sofort begreifen müssen ... Seibrich Felswürm ist das Übel, er sucht mit des Stabes Kraft nach dir. Anhand der Berührung deiner Stiefel mit der Erde vermag er deinen Aufenthalt zu ermitteln, weil sie anders sind als alles, was im Lande gefertigt worden ist. Daran erkennt er, wo du bist, und zugleich, wo wir sind. Ich vermutete, daß du an jenem Tag, als wir den Seelentrostfluß überquerten, unangetastet geblieben bist, weil Seibrich erwartete, wir würden den Weg zu ihm auf dem Fluß fortsetzen. Deshalb hat er auf dem Wasser statt zu Lande nach uns gesucht. Aber er hat seinen Irrtum bemerkt und dich gestern wiedergefunden.« Der Lord schwieg, gab Covenant eine Gelegenheit, sich seine Darlegungen zu verdeutlichen. »Ur-Lord, in unser aller Namen, im Namen des Landes«, fügte er dann hinzu, »du darfst deine Stiefel nicht länger tragen. Seibrich weiß schon zuviel über unsere Bewegungen. Seine Diener sind nicht weit.«
Covenant reagierte nicht. Mhorams Worte schienen den allerletzten Rest seiner Kräfte aufzuzehren. Die Heimsuchung war zuviel für ihn gewesen; mit einem Seufzen sank er besinnungslos in die Arme des Lords. Infolgedessen entging es ihm, wie umsichtig man ihn seiner Stiefel und übrigen Kleidungsstücke entledigte und sie in Duras Satteltaschen packte; wie sachte die Lords seine Gliedmaßen wuschen und ihn in ein Gewand aus weißem, mit Gold durchwirktem Seidenstoff hüllten; wie betrübt man ihm den Ring vom Finger zog und unter einem neuen Stück Clingor auf seinem Herzen befestigte; wie sanft ihn Schaumfolgers Arme umschlossen, während der Riese ihn an diesem Tag für die ganze Dauer des Marsches trug. Er ruhte im Finstern wie ein Schlachtopfer; er hörte die Zähne seiner Leprose an seinem Fleisch nagen. Der Geruch von Verachtung umgab ihn, erinnerte ihn hartnäckig an seine Impotenz. Aber seine Lippen waren zu einem ruhigen Lächeln geschwungen, drückten heitere Gelassenheit aus, als habe er sich endlich freudig mit seinem Verfall abgefunden.
Er lächelte immer noch, als er spät am Abend erwachte und empor ins breite Schurkengrinsen des Mondes starrte. Allmählich verzerrte sich sein Lächeln zu einer verkrampften Grimasse, einer Miene entweder eines Glücksgefühls oder des Zorns. Dann verdunkelte Salzherz Schaumfolgers Riesengestalt den Mond. Die großen Handflächen des Riesen, jede so groß wie Covenants Gesicht, streichelten behutsam seinen Kopf, und nach einiger Zeit tat das Streicheln seine Wirkung. Seine Augen verloren ihren gespenstischen Ausdruck, sein Gesicht entkrampfte sich, und die Marter wich einem Zustand von Gemütsruhe. Kurze Zeit später lag er in weniger gefährdetem Schlummer.
Am nächsten Tag – dem zehnten seit ihrem Aufbruch – erwachte er in beruhigter Verfassung, als befände er sich in einer Starre oder Stasis zwischen zwei miteinander unvereinbaren Anforderungen. Ein Gefühl von Unbeteiligtheit beherrschte ihn, als habe er nicht länger das Herz, sich um sich selbst zu scheren. Allerdings war er sehr hungrig. Er verzehrte ein umfangreiches Frühstück und dachte sogar daran, der Holzheimerin zu danken, die anscheinend die Aufgabe übernommen hatte, ihn zu versorgen. Seine neue Kleidung nahm er stumm zur Kenntnis und fand sich mit einem trübseligen Achselzucken damit ab, stellte mit unbestimmtem Sarkasmus fest, wie leicht es ihm schließlich doch fiel, sich von seinem alten Zeug zu trennen, und wie das weiße Gewand um seine hagere Gestalt flatterte, als wäre er darin geboren. Endlich bestieg er willenlos Dura. Seine Begleiter beobachteten ihn, als befürchteten sie, er würde stürzen. Tatsächlich war er schwächer als angenommen; es kostete ihn einen Großteil seiner Aufmerksamkeit, im Sattel aufrecht zu bleiben, aber er erwies sich als der Aufgabenstellung gewachsen. Nach und nach gelangte seine Begleitung zu der Auffassung, daß er sich außer Gefahr befand. In ihrer Mitte ritt er durch den Sonnenschein und die laue Frühlingsluft am erblühten Rand Andelains entlang – ritt matt und achtlos dahin, als stecke er zwischen Unmöglichkeiten fest.
17
Ende im Feuer
Am Abend lagerte das Aufgebot in einem schmalen Tal zwischen zwei felsigen Hügeln, etwa eine Länge vom üppigen Grasland Andelains entfernt. Die Krieger befanden sich in
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