Der Fluch des Verächters - Covenant 01
ausgezeichneter Laune, hatten nach den Belastungen der vergangenen Tage offenbar ihre natürliche, schwungvolle Einsatzbereitschaft wiedergewonnen; sie erzählten Geschichten und sangen Lieder, während die Lords und die Bluthüter dazu die stille Zuhörerschaft abgaben. Die Lords nahmen an der allgemeinen Unterhaltung nicht aktiv teil, hörten aber allem Anschein zufolge gerne zu, und mehrmals lachten Mhoram und Quaan leise untereinander. Covenant dagegen vermochte sich der Wohlgelauntheit des Fähnleins überhaupt nicht anzupassen. Leere schien mit klobiger Faust den Deckel des Schatzkästleins seiner Emotionen zuzuhalten, und er fühlte sich ausgesondert, unberührbar. Zum Schluß legte er sich schlafen, noch bevor die Krieger ihr letztes Lied beendet hatten. Einige Zeit später weckte ihn eine Hand auf seiner Schulter. Er schlug die Augen auf und sah Schaumfolger neben sich kauern. Der Mond stand bereits tief. »Erhebe dich«, flüsterte der Riese. »Die Ranyhyn haben uns gewarnt. Wölfe sind auf unserer Fährte. Womöglich folgen Urböse dicht hinter ihnen. Wir müssen fort.«
Schläfrig blinzelte Covenant in die übernächtigte Miene des Riesen. »Warum? Werden sie uns nicht weiterhin verfolgen?«
»Spute dich, Ur-Lord! Terrel, Korik und etwa ein Drittel von Quaans Fähnlein bleiben zurück und legen einen Hinterhalt. Sie werden das Rudel auseinander jagen. Komm!«
»Na und?« entgegnete Covenant störrisch. »Sie werden sich nachher wieder sammeln und uns weiter verfolgen. Laß mich schlafen!«
»Mein Freund, du stellst meine Geduld auf die Probe. Steh auf, und ich will's dir näher erklären!«
Mit einem Seufzer wälzte sich Covenant von seinen Decken. Während er die Schärpe seines Gewandes schloß, die Sandalen anzog und sich seines Stabes und des Messers bemächtigte, rollte seine holzheimerische Helferin die Decken zusammen und packte sie ein. Dann führte sie Dura zu ihm. Inmitten der gedämpften Eile, in welcher sich das Aufgebot befand, stieg er aufs Pferd und begab sich mit Schaumfolger zur Mitte des Lagerplatzes, wo die Lords und Bluthüter bereits aufgesessen waren; als auch die Krieger sich fertig zum Abmarsch meldeten, löschte Birinair die letzte Schwelglut des Feuers und bestieg steifbeinig sein Pferd. Im nächsten Moment machten die Reiter kehrt und flogen durch das enge Tal, suchten sich im letzten roten Schein des Mondes ihren Weg durch das rauhe Gelände. Das Erdreich unter Duras Hufen wirkte wie in langsamerem Gerinnen begriffenes Blut, und Covenant drückte die Hand um seinen Ring, um ihn vor dem karminroten Licht zu schützen. Ringsherum eilte das Aufgebot in äußerster Angespanntheit und möglichst lautlos vorwärts; man dämpfte sofort jedes verhaltene Klirren von Schwertern, alle atmeten gepreßt. Die Ranyhyn bewegten sich so geräuschlos wie Schatten, und auf ihren breiten Rücken saßen die Bluthüter wachsam und umsichtig. Dann ging der Mond vollends unter. Die Dunkelheit kam wie eine Erleichterung, obwohl sie ihrer Flucht irgendwie eine stärkere Gehetztheit verlieh. Aber das gesamte Aufgebot war umgeben und erhielt Führung durch die Ranyhyn, und die großen Pferde wählten einen Weg, den die anderen Pferde, die Reittiere, zwischen ihnen sicher beschreiten konnten.
Nachdem sie zwei oder drei Längen zurückgelegt hatten, entspannte sich die allgemeine Stimmung ein wenig. Man vernahm keine Laute von Verfolgung, keine Gefahr war zu spüren. Schließlich lieferte Schaumfolger Covenant die versprochene Erklärung.
»Es ist ganz einfach«, flüsterte der Riese. »Sobald sie die Wölfe vertrieben haben, werden Korik und Terrel eine Richtung einschlagen, die fort von uns führt. Sie begeben sich schnurstracks ins Innere Andelains und ziehen nach Osten zum Donnerberg, bis die Verfolger von uns abgelenkt worden sind. Dann biegen sie ab und stoßen wieder zu uns.«
»Und warum?« erkundigte sich Covenant leise. Lord Mhoram setzte die Erläuterung fort: »Wir bezweifeln, daß Seibrich unsere Absichten zu durchschauen vermag.« Covenant spürte die Gegenwart des Lords weniger stark als die Nähe des Riesen, so daß Mhorams Stimme im Dunkeln beinahe körperlos klang. Dieser Eindruck schien seine Worte Lügen strafen zu wollen, als wären die Äußerungen des Lords ohne die Unterstützung durch körperliche Greifbarkeit leeres Gerede. »Zu einem großen Teil mag ihm unser Unterfangen tollkühn oder töricht vorkommen. Da er in des Stabes Besitz ist, muß es wahnwitzig wirken, wenn wir
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