Der Fluch des Verächters - Covenant 01
aufschreiben.« Llaura schüttelte wieder den Kopf und hob ihre freie Hand. Sie zitterte haltlos.
»Dann gibt's also Dinge«, stellte nun Prothall fest, »die du nicht mitzuteilen vermagst.« Ja! »Etwas, wovon die Angreifer wünschen, daß du's nicht verrätst.« Ja! »Folglich ...« Der Hoch-Lord zögerte, als sei er dagegen abgeneigt seinen eigenen Schlußfolgerungen zu glauben. »Folglich wußten die Angreifer, daß man euch finden würde ... daß wir oder andere euch finden würden, die zu spät kämen, um Holzheim Hocherhaben noch beistehen zu können.« Ja! »Deshalb seid ihr gen Süden geflohen, in die Richtung des Holzheim Bayan und der südlichen Steinhausen.« Sie nickte, aber ihre Haltung deutete offenbar an, daß er den wesentlichen Punkt übersehen habe. Prothall musterte sie aufmerksam. »Bei der Sieben«, sagte er gedämpft. »So geht's nicht. Solche Befragungen erfordern Zeit, und mein Herz sagt mir, daß wir davon wenig haben. Was hat man mit dem Knäblein angestellt? Woher konnten die Angreifer wissen, daß wir – oder überhaupt irgend jemand – an diesen Ort kämen? Welches Wissen könnten sie besitzen? Welches nur, wenn dies, erführen wir's, einem Lehrenkundigen der Urbösen zuwider wäre? Nein, wir müssen andere Mittel und Wege ersinnen.«
Am Rande seines Blickfeldes sah Covenant Variol und Tamarantha am Lagerfeuer ihre Decken ausbreiten. Ihr Verhalten lenkte ihn für einen Moment von Llaura ab. Ihre Augen blickten traurig und irgendwie sonderbar geheimnisschwanger drein. Er konnte sie nicht durchschauen, aber aus irgendeinem Grund sah er sich plötzlich daran interessiert, daß sie bereits von Prothalls Entscheidung bezüglich des Aufgebots ausgingen, als er diese Entscheidung noch gar nicht gefällt hatte.
»Hoch-Lord ...«, sagte Birinair in förmlichem Tonfall.
»Ja?« fragte Prothall, dessen Aufmerksamkeit vornehmlich Llaura galt.
»Tohrm, dieser junge Welpe von einem Glutsteinmeister, hat mir einmal ein Rhadhamaerl -Geschenk gemacht. Fast wähnte ich, er wolle meiner spotten. Ich lachte bloß, ich bin ja kein junger Spund wie er. Es handelte sich um Heilerde.«
»Heilerde?« wiederholte Prothall verblüfft. »Du hast welche?«
»Ob ich welche habe? Natürlich. Ich bin doch kein Trottel. Ich trage sie bei mir auf den Feldzügen, halte sie feucht. Tohrm wollte mich belehren, als wüßte ich nichts.«
»Bitte bring sie her«, sagte Prothall, indem er seine Ungeduld bezähmte.
Im nächsten Moment reichte Birinair dem Hoch-Lord einen kleinen steinernen Topf, angefüllt mit nasser, von goldenem Glitzern durchsetzter Erde – Heilerde. »Gebt acht«, meinte Covenant leise, dessen Stimme dabei von vielschichtigen Erinnerungen zeugte. »Sie wird davon einschlafen.« Aber Prothall verlor keine Zeit. In der Dunkelheit, die nur Birinairs Lillianrill -Feuer sowie letzte Glut am verwüsteten Baum ein wenig aufhellten, klaubte er etwas von der Heilerde aus dem Topf. Die goldenen Partikel darin leuchteten im Feuerschein auf. Sachte verstrich er die Heilerde auf Llauras Stirn, den Wangen und ihrer Kehle.
Beiläufig bemerkte Covenant, daß der Lord Mhoram sich nicht länger mit Prothall und Llaura befaßte; statt dessen hatte er sich zu Variol und Tamarantha gesellt und befand sich allem Anschein nach mit ihnen in einer Meinungsverschiedenheit. Die beiden alten Lords lagen rücklings nebeneinander, Hand in Hand, während er über sie gebeugt stand, als versuche er einen Schatten von ihnen fernzuhalten. Doch sie ließen sich offensichtlich nicht beirren.
»Es ist besser so, mein Sohn«, sagte Tamarantha leise mitten in seine Einsprüche. »Arme Llaura«, murmelte Variol. »Mehr können wir nicht tun.«
Covenant schaute ruckartig in die Runde. Die Krieger widmeten ihr ganzes Interesse anscheinend der Befragung der Heer, aber Schaumfolgers überschattete Augen ließen ihren Blick häufig, wenngleich ziellos, nach allen Seiten über die Lichtung wandern, wie um unheilvolle Visionen zu verscheuchen. Mit einem unbehaglich frostigen Kribbeln an seinem Rückgrat wandte sich Covenant wieder Llaura zu.
Die erste Berührung der Heilerde vervielfachte lediglich ihre Not. Ihr Gesicht verzerrte sich aus höchster Qual, und ein Krampf, der einem Vorgeschmack des Todes glich, dehnte ihre Lippen wie in einem stummen Schrei. Dann aber durchfuhr sie eine kräftige Zuckung, und der kritische Moment war offenbar vorüber. Sie sank auf die Knie und weinte vor Erleichterung, als habe man aus ihrem Geist eine
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