Der Fluch des Verächters - Covenant 01
einiger Zeit nahmen die Versammelten ihre Gespräche wieder auf. Prothall und Mhoram reichten ihr Blattwerk-Geschirr den Heimständigen zurück und schenkten ihre Aufmerksamkeit den Mähnenhütern. Covenant verstand Bruchstücke ihrer Unterhaltung. Sie diskutierten über ihn – über die Botschaft, die er ihnen gebracht hatte, seine Rolle, die er fürs Schicksal des Landes spielte. Ihr geselliges Wohlbehagen stand in seltsamem Gegensatz zur Ernsthaftigkeit ihrer Worte. In ihrer Nachbarschaft schilderte Schaumfolger einem Mähnenhüter das Geschick Llauras und Piettens.
Covenant stierte finster ins Feuer. Er brauchte nicht hinzuschauen, um die blutige Verfärbung zu bemerken, die seinen Ring befiel; er konnte die Ausstrahlung des Übels spüren, die vom Metall ausging. Er verbarg den Ring unter seiner anderen Hand und zitterte krampfartig. Die Felsendecke schien über ihm zu schweben wie eine grausame Schwinge der Enthüllung, die den Moment seiner größten Hilflosigkeit abwartete, um sich dann auf seinen schutzlosen Nacken niederzustürzen. Er war abgrundtief hungrig. Ich verliere den Verstand , brabbelte er in die Flammen. Die Heimständige Gay drängte ihn, er solle essen, aber er achtete nicht darauf. Auf der anderen Seite des Feuers erläuterte Prothall den Zweck ihres Unternehmens. Unsicher lauschten die Mähnenhüter, als könnten sie nicht recht den Zusammenhang zwischen weit entfernten Greueln und den Ebenen von Ra begreifen. Daher erzählte ihnen der Hoch-Lord, was man Andelain angetan hatte. Pietten starrte mit ausdruckslosen Augen hinaus in die Nacht, als erwarte er den Mondaufgang. Neben ihm unterhielt sich Llaura leise mit den Seilträgern, dankbar für die Gastfreundschaft der Ramen. Während Schaumfolger die Grausamkeiten beschrieb, welche an den zwei Überlebenden Holzheim Hocherhabens verübt worden waren, schienen sich an seiner Stirn infolge der Anstrengung, die es ihn kostete, seine Gefühle zu beherrschen, Knoten zu bilden. Das Feuer leuchtete wie eine Tür, hinter der eine unerträgliche Bedrohung lauerte. Covenants Nacken war steif vor Verwundbarkeit, und seine Augen starrten blind geradeaus, als wären sie bloß Astlöcher. Die grüne Beschmutzung seines Gewandes brandmarkte ihn wie eine Warntafel, die Lepra-Ausgestoßener-Unrein! lautete. Er näherte sich dem Ende seiner geistigen VBG. Hinter ihm lag die Unmöglichkeit, an die Wirklichkeit des Landes zu glauben. Vor ihm die Unmöglichkeit, an seiner Wirklichkeit zu zweifeln.
Ganz plötzlich betrat Gay den Kreis, stellte sich direkt vor Covenant und stemmte ihre Hände in die Hüften; ihre Augen blitzten. Sie baute sich mit leicht gespreizten Beinen vor ihm auf, so daß er zwischen ihren Schenkeln die blutroten Kohlen im Feuer sah. Er schaute zu ihr hoch.
»Du mußt essen!« schalt sie. »Du bist schon halb tot.« Ihre Schultern waren gestrafft, spannten das Hemd über ihren kleinen festen Brüsten. Sie erinnerte ihn an Lena.
»Er hat uns nicht alles erzählt, was während des Frühlingsfestes geschah«, sagte Prothall. »Das Gemetzel an den Flammengeistern ist nicht verhindert worden – aber wir glauben, daß er die Urbösen irgendwie bekämpft hat. Seine Begleiterin machte sowohl sich selbst wie auch ihm Vorwürfe wegen des Übels, das den Tanz der Geister heimsuchte.«
Covenant bebte. Wie Lena, dachte er. Lena? Finsternis umwallte ihn, wimmelte von den Klauen des Schwindelgefühls. Lena? Für einen Moment vernebelten Donner und schwarze Wasser sein Blickfeld. Dann sprang er affenartig auf die Füße. Er hatte Lena das angetan – das angetan?! Er stieß das Mädchen beiseite und stürzte zum Feuer. Lena! Er schwang seinen Stab wie eine Axt und hieb in die Flammen. Aber er vermochte die Erinnerungen nicht zu verscheuchen, nicht zu verdrängen. Der Stab krümmte sich unter der Wucht des Aufpralls, entfiel seinen Händen. Kohlen und Funken spritzten auf, flogen nach allen Seiten. Das hatte er ihr getan! Er schüttelte seine Halbfaust gegen Prothall.
»Sie befand sich im Irrtum!« schrie er. »Ich konnte nichts dagegen machen!« Lena! dachte er. Was habe ich getan? »Ich bin Leprakranker!«
Ringsum sprangen Leute auf die Beine. Hastig trat Mhoram zu ihm, streckte eine Hand aus, um ihn zu beruhigen.
»Sei maßvoll, Covenant«, sagte er. »Was erregt dich? Wir sind Gäste.«
Aber noch während er aufbegehrte, erkannte Covenant, daß Atiaran sich keineswegs geirrt hatte. Er hatte selbst erlebt, wie er in dem Gefecht beim Holzheim
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