Der Fluch des Verächters - Covenant 01
waren für ihn keine Bedrohung. Diese großen Rösser staken voller Schrecken – Schrecken vor ihm. Sie konnten ihm nicht ins Gesicht sehen, spritzten Schaumflocken umher. Die Muskeln ihrer Beine und Brustkörbe bebten. Dennoch waren sie zu ihm gekommen, trotz ihrer Furcht. Ihre alte Rolle war nun umgekehrt worden. Statt ihre Reiter selbst zu wählen, unterwarfen sie sich jetzt der Wahl durch ihn. Aufgrund einer Eingebung löste er seinen linken Arm von Pietten und streckte seinen kalten roten Ring einem Ranyhyn entgegen. Der Ranyhyn zuckte zusammen und duckte sich, als habe eine Schlange nach ihm gestoßen, aber er hielt auf der Stelle aus. Covenant schlang seinen Arm wieder um Pietten. Das Kind wehrte sich nur noch schwach, als besänftige Covenants Umarmung es mit der Zeit. Doch der Zweifler scherte sich nicht darum. Wilden Blicks betrachtete er die Ranyhyn und wankte, als könne er sein Gleichgewicht nicht vollends wiedererlangen. Seine Entscheidung aber stand bereits fest. Er hatte die Ranyhyn seinen Ring anerkennen gesehen. Er drückte Pietten an sein Herz wie einen Helm.
»Hört her!« schrie er mit einer Stimme, die so heiser klang, als könne sie nie wieder etwas anderes als schluchzen. »Hört her! Ich mache einen Handel mit euch. Hört gut zu! Hölle! Hört gut zu! Einen Handel. Hört her. Ich kann nicht stehen ... ich falle auseinander. Auseinander.« Er umklammerte Pietten. »Ihr fürchtet euch vor mir. Ihr glaubt, ich sei eine Art von ... Na schön. Ihr seid frei. Ich wähle keinen von euch.« Furchtsam beobachteten ihn die Ranyhyn. »Aber ihr müßt Sachen für mich erledigen. Ihr müßt zurückstecken! « Dies Aufheulen kostete ihn beinahe den gesamten Rest seiner Kraft. »Ihr ... das Land ...« Er keuchte, flehte Laßt mich in Frieden! »Verlangt nicht so viel von mir.« Doch er wußte, er brauchte mehr von ihnen, um seine Langmut zu stärken, mehr als ihre Bereitschaft dazu, seine Zweifel zu erdulden. »Hört ... hört her! Wenn ich euch brauche, dann kommt ihr, das rate ich euch, verstanden? Damit ich nicht den Helden spielen muß. Merkt euch das gut!« Tränen strömten aus seinen Augen, doch er weinte nicht. »Und ... und noch etwas. Eines noch. Lena ...« Lena! »Das Mädchen. Wohnt in Steinhausen Mithil. Tochter von Trell und Atiaran. Ich will ... ich will, daß einer von euch sie aufsucht. Heute nacht: Und jedes Jahr wieder. Jedes Jahr beim letzten Vollmond der Frühlingsmitte. Ranyhyn sind ... sind, wovon sie träumt.« Er schüttelte sich die Tränen aus den Augen und sah die Ranyhyn ihn mustern, als verstünden sie alles, was er ihnen klarzumachen versucht hatte, ohne Einschränkung. »Nun geht!« röchelte er. »Habt mit mir Erbarmen!«
Mit einem plötzlichen, heftigen, einstimmigen Aufwiehern drängten sich sämtliche Ranyhyn um ihn, fuchtelten über seinem Kopf mit ihren Vorderbeinen, als legten sie ihm Versprechen ab. Dann fuhren sie allesamt herum, wieherten in merklicher Erleichterung und entfernten sich im Galopp vom Menschenheim. Der Mondschein ließ sie offenbar unangetastet. Sie sprangen am Rand des Vorplatzes die Kante hinunter und verschwanden so schnell, als hießen die Arme der Erde sie willkommen. Augenblicklich fand sich Llaura an Covenants Seite ein. Umständlich langsam übergab er ihr Pietten. Sie widmete ihm einen langen Blick, den er nicht begriff, dann wandte sie sich ab. Er schloß sich ihr an, schleppte sich gemächlich dahin, als habe er an seinen eigenen Brocken schon zuviel zu tragen. Er hörte die erstaunten Reden der Ramen – Äußerungen eines Staunens, das zu groß war, um infolge dessen, was er getan hatte, Verärgerung zu empfinden. Er befand sich außerhalb ihres Begriffsvermögens; er merkte es ihnen an.
»Sie haben sich vor ihm aufgerichtet«, flüsterte man. Aber das war ihm gleichgültig. Auf perverse Weise war er besessen von dem Gefühl, nichts gemeistert, nichts bewiesen, nichts gelöst zu haben.
Lord Mhoram kam ihm entgegen. Covenant mied Mhorams Blick, aber er erkannte auch in der Stimme des Lords enormes Staunen.
»Ur-Lord ... ach! Solche Ehre ist noch nie einem oder einer Sterblichen zuteil geworden. Viele haben die Ebenen aufgesucht, und man hat sie den Ranyhyn vorgestellt ... und ihnen widerfuhren Zurückweisungen. Als man Lord Tamarantha, meine Mutter, den Ranyhyn gegenüberstellte, da fanden sich fünf Ranyhyn, die sie in Erwägung zogen ... fünf! Das war eine größere Ehre, als sie es jemals für möglich erachtet hätte. Wir haben
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