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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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abwärts verlief. Sie kletterten hinein und stiegen darin hinab. Nach kurzer Zeit betraten sie ebenen Untergrund, danach schrägte sie sich wieder für eine lange Strecke ab, doch war ihr Verlauf verwunden, so daß Covenant nicht zu sehen vermochte, wohin der Weg eigentlich führte. Schließlich endete die Felsspalte nach einer letzten Biegung, und Lena und Covenant standen hoch überm Flußbett am Berghang. Sie blickten nach Westen in die sinkende Sonne. Der Fluß verließ die Berge zur Linken und wand sich nach rechts in die Ebenen. Ein Ausläufer der Bergkette zweigte bis ins Tal ab, verflachte sich jedoch immer mehr und ging zuletzt in den nördlichen Ebenen auf. »Das ist der Mithil«, sagte Lena. »Und dort liegt das Steinhausen Mithil.« Covenant sah eine kleine Ansammlung von Bauten in nördlicher Richtung am Ostufer des Flusses. »Es ist nicht weit«, fügte Lena hinzu, »aber der Pfad verläuft talaufwärts und dann zurück am Fluß entlang. Die Sonne wird untergegangen sein, bis wir unser Steinhausen erreichen. Komm!«
    Covenant erlebte einen Moment des Unbehagens, als er den Berghang hinabblickte – sie befanden sich noch immer gut fünfhundert Meter oberhalb der Talsohle –, aber er nahm sich zusammen und folgte Lena nach Süden. Der Berghang lockerte sich in zusehends stärkerem Maße auf, und bald darauf führte der Pfad durch saftige Almen und hinter strengen Felsvorsprüngen entlang, durch Vertiefungen und Hohlwege, durch Irrgärten aus herabgestürzten Felsklötzen. Und indem der Pfad immer weiter ins Tal vordrang, atmeten sie immer dunstigere, weniger klare, aber weichere Luft. Langsam wechselten die Gerüche, es roch verstärkt nach Grün; der Kiefern- und Espenduft wich dem vollen Aroma von Weideland. Covenant spürte, daß er die graduelle Veränderung lückenlos wahrnahm, jede Nuance des Höhenunterschieds bewußt erlebte. Durch die Aufregung dieser neuen Wahrnehmungsfähigkeit schien ihm der Weg nach unten nicht lange zu dauern. Bevor er sich richtig darauf eingestellt hatte, den Berg zu verlassen, sah er den Pfad einen flachen Hügel hinab verlaufen, zum Fluß vorstoßen und sich dann daran entlang nach Osten wenden. Der Mithil war an jener Stelle, wo der Pfad ihn erreichte, schmal und schnell, und mit einer Stimme voller Nachschwingungen und Gemunkel sprach er mit seiner feuchten Aussprache zu sich selbst; doch als der Fluß in die Richtung der Ebenen strömte, verbreiterte er sich und floß langsamer, und sein dumpfes Murmeln klang behäbiger und philosophischer. Bald beherrschte seine Stimme nicht länger die Umgebung. In stillem Geflüster erzählte er sich seine lange Geschichte, während er sich auf seiner Suche nach dem Meer dahinwälzte. Unter der Wirkung, die der Fluß auf sein Gemüt ausübte, drang Covenant immer deutlicher die Tatsache ins Bewußtsein, daß dies Land eine tröstliche Handfestigkeit besaß. Es war keine unberechenbare Traumlandschaft, sondern greifbar, einer vernünftigen Einschätzung unterworfen. Auch das war natürlich eine Illusion – eine von seinem lädierten, angeschlagenen Hirn erzeugte Sinnestäuschung. Aber er fand darin seltsamen Trost. Er sah darin eine Verheißung, daß ihn nicht Horror und Chaos erwarteten – daß dies Land eine logisch geführte Gesamtheit war, begreifbar, daß er, hatte er erst einmal seine Gesetzmäßigkeiten verstanden, kannte er sich mit seinen speziellen Verhältnissen aus, in der Lage sein werde, den Weg seines Traumes ungeschoren bis zum Ende zu gehen, seine geistige Gesundheit zu bewahren. Diese Überlegungen verliehen ihm beinahe übermütige Zuversicht, während er an Lenas geschmeidige Kehrseite Anschluß hielt, sich am anziehungskräftigen Schwung ihrer Hüften orientierte. Covenant zog noch mit seinen bislang ungekannten Emotionen hinter Lena her, da sank das ganze Mithiltal in abendliche Schatten. Die Sonne verschwand hinter den westlichen Bergen, und obwohl über den fernen Ebenen noch ein Helligkeitsschimmer lag, sammelte sich im Tal ein dünner Schleier von Dunkelheit. Vor Covenants Augen kroch der Schatten zur Rechten am Berg hoch, schob sich aufwärts wie eine schlingwütige Flut an den Gestaden des Tages. Im Dämmerlicht fühlte sich Covenant von der Gefahr, die ihn verfolgte, stärker bedroht, aber auch der Schimmer über den Ebenen erlosch.
    Lena blieb stehen, berührte Covenants Arm und deutete abwärts. »Sieh da«, sagte sie, »das ist das Steinhausen Mithil.« Sie standen auf der Kuppe eines

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