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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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instinktiv wußte er, daß er sich nicht erlauben durfte, an sie zu denken, sich mit ihr zu beschäftigen. Er hatte ihr Vertrauen, das Vertrauen des ganzen Steinhausens mißbraucht und enttäuscht; über die Einsicht dieser Folge seiner Raserei in der vergangenen Nacht hinaus durfte er sich keinerlei Grübeleien leisten. Gestern war nun unwiderrufliche Vergangenheit – und außerdem so gut eine bloße Illusion wie der gesamte Traum überhaupt. Mit einer Willensanstrengung, die ihn ins Zittern brachte, verdrängte er alle weiteren diesbezüglichen Überlegungen. Auf dem Kevinsblick hatte er – beinahe zufällig – die Antwort auf alle derartigen Verrücktheiten gefunden: in Bewegung bleiben, nicht nachdenken, überleben. Jetzt war es noch notwendiger als vorher, sich an dies Verfahren zu halten. Seine ›Berek‹-Furcht des gestrigen Abends war nun relativ unwichtig geworden. Seine Ähnlichkeit mit einem sagenhaften Helden war nur Teil eines Traums, keine zwingende Tatsache oder Verpflichtung. Er unterdrückte den Gedanken daran ebenfalls. Mit konzentrierter Umsicht unterzog er sich einer gründlichen Bestandsaufnahme und VBG.
    Als er dessen sicher war, daß er keine unauffälligen Verletzungen, keine verhängnisvollen blauroten Flecken aufwies, trat er ans äußerste Ende des Felsvorsprungs. Er zitterte noch immer. Er benötigte mehr Selbstdisziplin, mußte sich stärker abhärten; seine Hände bebten, als sei es ihnen unmöglich, sich ohne sein übliches Ritual der Rasur zu beruhigen: Sein Taschenmesser, das er immer dabei hatte, war jedoch zum Rasieren ungeeignet. Nach kurzem Zögern nahm er einen tiefen Atemzug, stützte sich mit den Händen an der Felskante ab und ließ sich mit seiner Kleidung und allem anderen zu einem Bad in den Fluß klatschen. Die Strömung zupfte verführerisch an ihm, wollte ihn dazu verlocken, sich unterm blauen Himmel eines frischen Frühlingstages dahintreiben zu lassen. Doch das Wasser war zu kalt; er vermochte die Eiseskälte nicht lange genug zu ertragen, um sich mit einem Kopfsprung für ein Weilchen in den Strom zu werfen. Er kehrte mit einem Klimmzug auf den Felsen zurück und erhob sich, schüttelte sich Gischt aus dem Gesicht. Aus seinem Haar rann ihm unablässig Wasser in die Augen, und im ersten Moment blieb ihm daher die Tatsache verborgen, daß auf dem Sandstreifen, bei den Glutsteinen, Atiaran stand: Sie maß ihn mit ernstem, festem Blick. Covenant erstarrte, als er sie sah, duckte sich pudelnaß wie ein Ertappter. Einen Moment lang musterten er und Atiaran einander über Felsen und Sand hinweg. Als sie zu sprechen begann, wand er sich innerlich, da er erwartete, sie werde ihn schmähen, anklagen, ihm Flüche entgegenschleudern. »Komm herüber an die Glutsteine«, sagte sie jedoch lediglich. »Du mußt dich trocknen.« Überrascht erforschte er ihren Ton mit all der gesteigerten, gespannten Schärfe seiner Sinne, aber er nahm darin nichts wahr außer Entschlossenheit und stiller Trauer. Plötzlich erriet er, daß sie nicht wußte, was er ihrer Tochter zugefügt hatte. Indem er tief durchatmete, um das mühevolle Hämmern seines Herzens einzudämmen, trat er vor und kauerte sich neben die Glutsteine. Die unwahrscheinlichsten Spekulationen wirbelten ihm durch den Kopf, die als Begründung für Atiarans Unkenntnis herhalten mochten, doch er wandte sein Gesicht der Wärme zu und schwieg, in der Hoffnung, sie würde irgend etwas sagen, das ihn darüber aufklärte, wie er zu ihr zu stehen hatte. »Ich wußte, wo ich dich finden konnte«, sagte sie schließlich mit gedämpfter Stimme. »Ehe ich von meinem Gespräch mit dem Kreis der Ältesten zurückkam, sagte Lena meinem Gemahl Trell, daß du dich hier aufhältst.«
    Sie verstummte. »Hat er sie gesehen?« Covenant mußte sich nahezu zu der Frage zwingen.
    Ihm war klar, daß diese Frage Mißtrauen erregen konnte. Aber Atiaran beantwortete sie rein sachlich. »Nein. Sie ist über Nacht zu einer Freundin gegangen. Sie rief's ihm durchs Fenster zu, als sie an unserem Haus vorüberkam.«
    Für eine Weile saß Covenant still und sprachlos, außer sich vor Staunen über die Implikationen dessen, was Lena getan hatte. Durchs Fenster gerufen! Zuerst schienen sich in seinem Hirn aus lauter Erleichterung die Windungen zu kräuseln. Er war in Sicherheit – jedenfalls vorerst. Mit ihrer Zurückhaltung hatte Lena ihm wertvolle Zeit erkauft. Offensichtlich kannten die Menschen in diesem Land so etwas wie Opferbereitschaft ... Im nächsten

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