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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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drängt, müssen wir an ihr sparen, wann immer es möglich ist. Und es gibt noch einen Grund, der dafür spricht, in dieser Jahreszeit den Weg durch Andelain zu nehmen – vorausgesetzt, wir sputen uns. Aber davon will ich noch nicht sprechen. Du wirst ihn sehen und frohlocken, falls uns unterwegs kein Unheil befällt.«
    Sie heftete ihren Blick auf Covenant und musterte ihn unter Aufbietung all ihrer inneren Kraft, so daß er das Gefühl hatte – wie schon am vorherigen Abend –, sie versuche seine Schwächen zu ergründen. Er fürchtete, sie könne in seiner Miene irgendein Anzeichen seiner gestrigen Schandtat entdecken, und bot alle Mühe auf, um ihrem Blick standzuhalten.
    »Nun antworte mir, Thomas Covenant«, sagte sie schließlich. »Wirst du mir folgen, wohin ich dich führe?«
    Er fühlte sich gleichermaßen erleichtert und beschämt. »Wir wollen aufbrechen«, antwortete er. »Ich bin bereit.«
    »Das ist gut.« Sie nickte und setzte den Weg ans östliche Ufer fort. Covenant aber blickte noch einen Moment lang hinab auf den Fluß. Seine leise Beschwerde klang nach zahllosen Echos, und sie schienen in düsterer Ironie zu ihm heraufzustöhnen: Überrascht dich da noch meine Impotenz? Eine dunkle Wolke von Sorge verfinsterte sein Gesicht, aber er riß sich zusammen, rieb seinen Ehering und schloß sich Atiaran hastig an, ließ den Mithil seines Weges fließen wie einen Strom des Vergessens oder einen Grenzfluß des Todes.
    Während sich die Sonne über die östlichen Berge erhob, wanderten Atiaran und Covenant nach Norden, stromabwärts am Fluß entlang in die Richtung der weiten Ebenen. Anfänglich zogen sie in völligem Schweigen dahin. Covenant war durch kurze Abstecher in die Hügel zur Rechten beansprucht, wo er Aliantha sammelte. Er fand ihren leicht scharf gewürzten Pfirsichgeschmack noch so unerhört köstlich wie zuvor; ein unaufdringlicher Bestandteil des Fruchtsafts machte Hunger und Geschmacksempfinden zu eindringlichen Wahrnehmungen. Er sah davon ab, einzelne Sträucher sämtlicher Beeren zu entledigen – zumal er ohnehin recht häufig von Atiarans forsch beschrittenem Weg abweichen mußte, um seinem Appetit Genüge tun zu können –, und er verstreute die Samenkörner, wo er ging und stand, wie er es von Lena gelernt hatte. Danach mußte er jedesmal laufen, um Atiaran wieder einzuholen. Auf diese Weise legten sie beinahe eine Meile zurück, und als er zu essen aufhörte, hatte sich das Tal merklich erweitert. Er machte einen letzten Abstecher – diesmal zum Fluß, um seinen Durst zu stillen –, dann begab er sich zurück an Atiarans Seite. Irgend etwas in ihrer Miene wirkte auf ihn wie eine Aufforderung zum Schweigen, also unterwarf er sich seiner beim Überlebensdrill eingehämmerten Disziplin und hielt den Mund. Danach konzentrierte er sich insgeheim darauf, wieder jene automatenhafte Ticktacktakt-Gangart anzunehmen, die ihn so zuverlässig von der Haven Farm bis in die Ortschaft befördert hatte. Atiaran war anscheinend durchaus darauf eingestellt, eine Strecke von dreihundert Längen zu Fuß zurückzulegen, aber ihm war nicht danach zumute. Er ahnte, daß er seine ganze extreme Leprakranken-Umsichtigkeit ausspielen mußte, um nur einen Tag lang zu marschieren, ohne sich irgendeine Verletzung zuzuziehen. Zum Rhythmus seiner Schritte rang er innerlich darum, die Unbeeinflußbarkeit seiner Lage zu verkraften. Er wußte, daß er letztendlich nicht daran vorbeikam, Atiaran seine spezielle Gefährdetheit zu erläutern. Er mochte ihrer Hilfe bedürfen, irgendwann vielleicht wenigstens ihr Verständnis nötig haben. Aber nicht jetzt schon – noch nicht. Seine Selbstbeherrschung stand noch auf zu wackligen Beinen.
    Nach einiger Zeit wechselte sie die Richtung, strebte fort vom Fluß und hinauf ins nordöstliche Vorgebirge. So dicht vor den Bergen waren die Hügel steil und zerklüftet, und nach allem Anschein folgte sie keinem, zumindest keinem sichtbaren Pfad. Covenant kämpfte sich hinter ihr die felsigen, gewellten Hänge empor, taumelte sie hinunter; die natürliche Anlage der Landschaft versuchte das Wanderpaar beharrlich nach Westen zu leiten. Seine Schultern begannen allmählich vom Gewicht des umgehängten Bündels zu schmerzen, und Zuckungen ruckten unter seinen Schulterblättern, als kündigten sich Krämpfe an. Noch etwas später schnaufte er mühevoll und nörgelte unterdrückt an der Undurchschaubarkeit von Atiarans Richtungsänderungen herum. Ungefähr die Hälfte des Vormittags

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