Der Fluch des Verächters - Covenant 01
war verstrichen, da legte sie am jenseitigen Hang eines hohen Hügels eine Rast ein. Sie selbst blieb stehen, aber Covenants Muskeln zitterten infolge der ungewohnten körperlichen Anstrengung des Kletterns, so daß er sich neben ihr auf den Erdboden niedersacken ließ und um Atem rang. »Warum sind wir nicht um diese Hügel herum nach Norden gegangen«, keuchte er, sobald er sich ein wenig erholt hatte, »und dann nach Osten? Wir hätten uns dies ganze Rauf und Runter erspart.«
»Aus zwei Gründen«, erwiderte sie in kurzen Worten. »Voraus liegt ein langer Pfad, der nordwärts durch die Hügel führt – eine leichte Strecke, auf der wir viel Zeit gewinnen können. Und andererseits kann uns hier zwischen den Hügeln ...« – sie schwieg, während sie rundum spähte – »ganz gut etwas abhanden kommen. Denn seit wir die Brücke verlassen haben, bedrückt mich die Sorge, daß wir verfolgt werden.«
»Verfolgt?« Covenant schrak hoch. »Von wem?«
»Das weiß ich nicht. Es kann sein, daß die Kundschafter des Grauen Schlächters schon umherstreifen. Man sagt, daß seine höchstgestellten Diener, die Wüteriche, nicht sterben können, solange er lebt. Sie besitzen keine eigenen Leiber, und ihre Geister irren dahin, bis sie ein lebendiges Wesen finden, das sie zu meistern vermögen. Daher gehen sie als Tiere oder Menschen um, ganz wie's sich ergibt, und bringen Verderben übers Leben im Lande. Aber ich hoffe, daß wir nicht über diese Hügel hinaus verfolgt werden. Hast du dich ausgeruht? Wir müssen weiter.«
Sie rückte unterm Gurt ihres Bündels ihr Gewand zurecht und setzte den Abstieg über den Hang fort. Einen Moment später raffte sich Covenant mit einem Stöhnen auf, um unter fortwährendem Ächzen den Anschluß zu halten. Für den Rest des Vormittags mußte er sich vorwärtstreiben, ständig am Rande der Erschöpfung. In seinen Beinen breitete sich vor Müdigkeit Taubheit aus, und das Gewicht auf seinem Rücken schien seine Atmung einzuengen, so daß er röchelte, als müsse er ersticken. Auf so schwere körperliche Belastungen war er nicht eingerichtet; mit unsicherem Schlurfen wankte er die Hügel hinauf und hinab. Immer wieder bewahrten ihn nur seine Stiefel und der widerstandsfähige Stoff seiner Hose vor Verletzungen. Atiaran dagegen schritt mühelos und unbeschwert vor ihm dahin, vollführte kaum jemals eine überflüssige Bewegung, machte so gut wie keinen falschen Schritt, und es war ihr Anblick, der ihn mitriß. Schließlich wandte sie sich in einen langen Hohlweg, der nach Norden führte, so weit das Auge reichte, wie ein Einschnitt in die Hügellandschaft. In der Mitte des Hohlwegs floß ein schmaler Bach, und daran hielten sie, um zu trinken, sich die Gesichter zu waschen und eine Rast einzulegen. Diesmal warfen beide ihre Bündel von den Schultern und machten es sich am Erdboden bequem. Covenant stöhnte aus voller Brust, streckte sich in ganzer Länge aus und schloß die Augen. Eine Zeitlang lag er nur da und entspannte sich, lauschte seinen eigenen heiseren Atemzügen, bis sie sich so weit beruhigten, daß er den Wind säuseln hören konnte. Dann öffnete er die Augen wieder, um die Umgebung zu betrachten. Da sah er tausend Meter über sich den Kevinsblick. Dieser Anblick kam völlig unerwartet; er setzte sich auf, als könne er sich ihn dadurch aus der Nähe anschauen. Der Kevinsblick war südöstlich ihres Standorts und ragte von den Felsklippen in den Himmel empor wie der Finger eines Anklägers. Aus diesem Abstand wirkte die Felsspitze schwarz und unheilvoll, und sie schien über den Hohlweg hinauszuragen, den Atiaran und er entlangzuziehen beabsichtigten. Sie erinnerte ihn an den Verächter und an Finsternis.
»Ja«, sagte Atiaran, »das ist der Kevinsblick. Dort stand Kevin Landschmeißer, Hoch-Lord und Träger des Stabes, Nachfahre Berek Halbhands, im letzten Ringen wider den Grauen Schlächter. Es heißt, dort habe er die Niederlage und wahnsinnigen Gram kennengelernt. In der Schwärze, die sein Herz heimsuchte, gelang selbst ihm – dem machtvollsten Kämpen aller Zeitalter des Landes, ihm, Hoch-Lord Kevin, geschworener Erdfreund – nichts anderes, als die Schändung übers Land zu bringen, das Ende aller Dinge im Lande auf die Dauer vieler Geschlechter. Es ist kein gutes Omen, daß du dort oben warst.« Während sie sprach, wandte sich Covenant ihr zu, und da sah er, daß sie nicht hinauf zur Felsspitze schaute; ihr Blick war schrankenlos nach innen gekehrt, als erwäge sie,
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