Der Fluch des Verächters - Covenant 01
des Lillianrill hat das Hehre Holz niemals einen Allholzmeister geschlagen. Wir sind Freunde des Einstückbaums, nicht seine Widersacher. Doch im Vergleich zu dir bin ich schwach wie ein Kind. Ich vermag dir die Wahrheit nicht abzuzwingen. Trotz meiner Anstrengungen könntest du der Graue Schlächter selbst sein und gekommen, um alles Leben im Lande in Asche zu verwandeln.«
»Lächerlich«, entgegnete Covenant barsch, über diese für seine Begriffe blödsinnige Vorstellung verärgert.
Baradakas trat näher und senkte seinen durchdringenden Blick tief in Covenants Augen. Covenant wand sich aus Unbehagen; er spürte, daß der Allholzmeister Bereiche seines Innenlebens erkundete, die er geschützt, verborgen halten wollte. Was habe ich überhaupt mit diesem Lumpenkerl Foul zu schaffen? wetterte er innerlich. Ich habe mich verdammt nicht darum beworben, für ihn den Botenjungen spielen zu dürfen. Urplötzlich weiteten sich Baradakas' Augen, und er wich unsicheren Schrittes durch den ganzen Raum zurück, als habe er in ein Etwas von ungeheurer Macht geschaut. Er sackte rücklings auf seine Pritsche und saß für einen Moment still da, während er seine Hände beobachtete, die fest um den Stab geschlungen zitterten. »Wahrheit«, sagte er dann nachdenklich. »Vielleicht bin ich eines Tages weise genug, um zu erkennen, worauf Verlaß ist. Jetzt brauche ich Zeit, um verstehen zu lernen. Ich vertraue dir, mein Freund. Bei der letzten Prüfung wirst du uns nicht im Stich und dem Tode verfallen lassen.« Er bot Covenant erneut den Stab an. »Hier. Willst du mein Geschenk nicht annehmen?«
Covenant antwortete nicht sofort. Er zitterte ebenfalls und mußte sich zusammenreißen, ehe er wieder mit ruhiger Stimme sprechen konnte. »Warum? Warum traust du mir?«
Die Augen des Allholzmeisters glänzten, als sei er den Tränen nahe; aber er lächelte. »Du bist ein Mensch«, sagte er, »der den Wert der Schönheit kennt.«
Nach dieser Auskunft starrte Covenant für einen Moment vor sich hin, dann wandte er den Blick seitwärts. Er empfand eine vielschichtige Anwandlung von Scham; er fühlte sich angesichts Baradakas' Vertrauen schmutzig, behaftet mit Makel. Doch dann straffte er sich. Weitermachen! Überleben! Was hatte Vertrauen mit allem hier zu tun? Mit einer lebhaften Bewegung langte er zu und nahm den Stab entgegen. Er fühlte sich in seiner Hand rein und edel an, als sei er mit der liebevollen Hingabe aus dem kernigsten, gesündesten Holz hergestellt worden. Er hielt ihn in kräftigem Griff, untersuchte ihn, als könne er daraus die Unschuld ziehen, an der es ihm fehlte.
Kurze Zeit später mußte er zu seiner eigenen Verblüffung lauthals gähnen. Bis dahin war es ihm gar nicht aufgefallen, wieviel Müdigkeit in seinen Knochen stak. Er versuchte seine Ermattung zu überwinden, aber diese Bemühung führte lediglich zu einem weiteren Gähnen. Baradakas lächelte nachsichtig. Er erhob sich von der Bettstatt und gab Covenant einen Wink, daß er sich zum Schlaf niederlegen könne. Covenant hegte eigentlich nicht die Absicht, bereits zu schlafen, aber sobald er sich in der Horizontalen befand, schien der gesamte Frühjahrswein, den er sich einverleibt hatte, ihm in den Kopf zu schießen, und ihm war zumute, als schwebe er auf dem schwachen Wind dahin, der durch die Baumkrone säuselte. Bald darauf lag er in festem Schlummer. Er schlief einen gesegneten Schlaf, nur ein bißchen gestört durch die traumhafte Erinnerung an die eindringlichen Augen des Allholzmeisters, die ihn erforschten, und an das Gefühl, wie das Lomillialor , obwohl seine Finger kräftig zupackten, ihm entglitt. Als er am folgenden Morgen erwachte, spürte er seine Arme so schmerzhaft deutlich, als habe er die ganze Nacht lang mit einem Engel gerungen.
Er öffnete die Augen und sah auf der anderen Seite des Raums Atiaran wartend sitzen. »Komm, Thomas Covenant«, sagte sie. »Wir haben schon des heutigen Tages Morgenfrühe verschenkt.«
Covenant musterte sie für einen Moment. Im Hintergrund ihres Mienenspiels erkannte er einen vertieften Schatten von Erschöpfung und schloß daraus, daß sie von der vergangenen Nacht viel Zeit fürs Gespräch mit den Heers geopfert hatte. Aber sie wirkte, als sei sie irgendwie durch das, was sie den anderen berichtet und umgekehrt von ihnen erfahren hatte, getröstet worden, und der Glanz ihres Blicks zeugte nahezu von Optimismus. Möglicherweise besaß sie nun wieder irgendeine Hoffnung. Ihm war alles recht, was ihre
Weitere Kostenlose Bücher