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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Geschehens wird. Er preßte die Hände auf seine Brust, als hinge die Chance, das Frühlingsfest bis zum Ende mitansehen zu dürfen, von völliger Lautlosigkeit seiner Atmung ab, als befürchtete er, der unbedeutendste Laut würde die feurige Zusammenkunft stören, die Geister des Landes verscheuchen.
    Dann entstand unter den versammelten Flammen eine Veränderung. Ein helles, von Auf- und Abschwellen gekennzeichnetes, wortloses Lied erhob sich in den Nachthimmel, eine schmerzlich schöne Melodie. Vom Mittelpunkt der Mulde aus verwandelte sich das individuelle Kreiseziehen der Geister in einen gemeinschaftlichen Flammenreigen. Jeder Geist hatte nun anscheinend seinen Platz in einem großen Radmuster gefunden, das die Hälfte der Bodensenke erfaßte, und dieses Rad begann sich nun langsam um seine Mitte zu drehen. In dieser Mitte jedoch sah man keine Lichter; das Rad drehte sich um eine Nabe aus vollkommener Schwärze, die sich dem Glanz der Flammengeister verweigerte. Während sich das Lied durch die Nacht ausbreitete, kreiste das große Rad, und zugleich tanzte jede Flamme einen geheimnisvollen eigenen, unabhängigen Tanz, völlig unterschieden in seinem Wiegen und Schwanken von allen anderen, aber trotzdem behielt jede Flamme in der Gesamtheit des Gebildes seinen Platz bei. Und in der Breite zwischen der Nabe innen und dem Rand außen rotierten weitere Kreise, so daß das große Rad mit einer Vielzahl kleinerer Räder ausgefüllt war, und alle kreisten. Und kein Geist blieb lang an derselben Stelle. Die Flammen schwebten unaufhörlich durch ihr Bewegungsmuster, so daß die einzelnen Geister, während sich die Räder drehten, vom einen zum nächsten Platz wechselten, wobei aber nie ein Platz unbesetzt blieb, sich zunächst am Außenrand entlangschwangen, dann durch die kleinen inneren Räder kreiselten, zuletzt die Nabe umkreisten. Jeder Geist befand sich in unablässiger Bewegung, wechselte ständig seinen Standort, aber das Radmuster erlitt nie eine Beeinträchtigung – kein fehlerhaftes Abweichen verursachte eine Lücke, nicht einmal für eine Sekunde –, und jede Flamme wirkte wie vollkommen allein und gleichzeitig auf rätselhafter Bahn, in Verfolgung einer persönlichen Bestimmung, dem Tanz einverleibt, nicht weniger vollkommen ein Teil des Ganzen. Im Verlauf ihres Tanzes erhöhte sich ihre Leuchtkraft, bis am Nachthimmel die Sterne erloschen und die Nacht selbst in den Hintergrund zurückwich, als sei sie nur ein entfernter Zuschauer der Festlichkeit. Und die Schönheit und das Wunder des Tanzes machten Covenants Erwartung zu schmerzlichem Verlangen.
    Dann ging in der Festlichkeit eine weitere Veränderung vor sich. Covenant bemerkte sie erst, als Atiaran seinen Arm berührte; ihr Hinweis bereitete ihm ein Schaudern gesteigerter Bewußtheit, und er sah, daß sich das Rad aus Flammengeistern langsam nach außen beulte. Im übrigen behielt das Rad seine Form, und die schwarze Nabe blieb unverändert. Allmählich legte sich das Rad, während es weiterhin kreiste, eine merkliche Seitenlastigkeit zu, indem die äußeren Geister sich den beiden Zuschauern näher schoben. Bald deutete die immer stärkere Auswölbung unmißverständlich auf Covenant. Infolgedessen hatte er das Empfinden, ihr Lied noch eindringlicher wahrzunehmen – es glich einem innigen, verzückten Klagegesang, einem Trauerlied von der prallen Leidenschaftlichkeit einer Hymne und gleichzeitig der Leidenschaftslosigkeit einer erhabenen, unpersönlichen Beteuerung. Die Annäherung der Flammen flößte ihm Ehrfurcht ein und erfüllte ihn mit Faszination, so daß er innerlich zu schrumpfen schien, aber zu jeder Regung unfähig blieb. Kreis um Kreis bewegte sich auf ihn zu, immer mehr Flammen näherten sich ihm, und er saß still, die Hände über seinen Knien gefaltet, wagte sich nicht zu rühren; es war ihm ein wenig flau ums Herz vor diesen vielen feurigen Tänzern, und er äußerte keinen Laut. Innerhalb kurzer Zeit schwebte die Spitze des langen Ausläufers, der sich am Rad aus Flammen gebildet hatte, über ihm, und er sah, daß sich jede Flamme im Vorübertanzen vor ihm verneigte. Dann sank der Rand des Ausläufers herab, und der Takt des Tanzes verlangsamte sich, als sollte jeder Geist die Gelegenheit erhalten, für einen Moment andächtig vor ihm zu verweilen. Bald schwebten die Flammen in der Reichweite seiner Hände vorbei. Da flackerte die lange Zunge des Rades aus Flammengeistern plötzlich auf, als sei eine gemeinsame Entscheidung

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