Der Fluch des Verächters - Covenant 01
gefallen. Der nächste Geist kam näher als alle anderen zuvor und ließ sich auf Covenants Ehering nieder. Er zuckte zusammen, weil er erwartete, das Feuer werde ihn verbrennen, aber er verspürte keinen Schmerz. Die Flamme saß auf dem Ring wie auf einem Docht, und er fühlte die Harmonien des Festgesangs leise in seinem Finger mitschwingen. Solange der Geist auf dem Ring saß, tanzte und flackerte er heftig, als sauge er daraus so etwas wie köstlichen Nektar. Und dabei verfärbte er sich langsam vom hellen Gelborange zu Silberweiß. Als die Verfärbung vollzogen war, schwebte der Geist weiter, und die nächste Flamme nahm den Platz ein. Eine lange Reihenfolge von Flammen schloß sich an, und jede flackerte auf seinem Ring, bis sie silbrig verfärbt war; seine Besorgnis schwand, und im gleichen Maße beschleunigte sich die Abfertigung. Binnen kurzem reichte die Schlange silbriger weißer Geister bis fast zurück zum Rest der Tänzer. Jede weitere Flamme, die an die Reihe kam, ließ sich mit nahezu begieriger Flinkheit nieder, als suche sie im Weißgold von Covenants Ehering eine Apotheose, irgendeinen Höhepunkt ihres Daseins. Nicht lange, und Covenants Gemüt war so aufgewühlt, daß er nicht sitzen bleiben konnte. Seine Ergriffenheit trieb ihn auf die Beine, und er streckte den Geistern seinen Ring entgegen, so daß sie sich daran aufhellen konnten, ohne zu ihm herabschweben zu müssen.
Atiaran trat an seine Seite. Er hatte nur Augen für diese Wandlung, die sein Ring irgendwie ermöglichte, aber sie schaute hinaus über den Tanz. Was sie sah, ließ sie ihre Finger aus Verzweiflung wie Klauen in seinen Arm krallen. »Nein! Bei der Sieben! Das darf nicht sein!« Ihre entsetzten Ausrufe erregten Covenants Aufmerksamkeit; er hob den Blick hinweg über die Mulde. »Dort! Das ist die Bedeutung des Übels, das deine Füße gespürt haben!«
Was er erblickte, brachte ihn ins Wanken wie ein Schlag in die Herzgrube. Über den nordöstlichen Rand der Mulde drang ein Keil aus Schwärze in den goldenen Schimmer ein, so pechschwarz und unantastbar durch jede Helligkeit wie die Brutstätte der Nacht. Der Keil bahnte sich seinen schmalen Weg hinab zum Tanz, und durch das Lied der Flammen verbreitete er ein Geräusch, das wie das Pflügen vieler blutbesudelter Füße durch reines Gras klang. Mit unverkennbarem, fürchterlichem Vorsatz schob sich der Keil vorwärts, ohne an Geschlossenheit zu verlieren. Innerhalb von Sekunden schnitt die Keilspitze der Finsternis in den Tanz ein und begann sich zum Mittelpunkt zu bohren. Erschrocken sah Covenant, daß der Tanz nicht endete, nicht aussetzte. Bei der ersten Berührung mit dem Keil verflog das Lied der Geister aus der Luft, als wäre es durch ein Sakrileg fortgezaubert worden, und zurück blieb nichts als ein Geräusch wie von fernem fortlaufendem Morden. Doch der Tanz kam zu keinem Halt. Die Flammen kreisten weiter, als seien sie sich des Geschehens nicht bewußt oder ihm gegenüber völlig hilflos. Sie zogen ihre Kreise bis in den Weg des Keils und verschwanden, als fielen sie in einen Abgrund. Kein Geist kehrte aus dem Finstern wieder. Indem er jede Flamme verschlang, die ihm begegnete, fraß sich der schwarze Keil in die Mitte des Frühlingsfests.
»Sie werden alle sterben«, stöhnte Atiaran. »Sie können nicht einhalten ... nicht fliehen. Sie müssen tanzen, bis der Tanz vollendet ist. Alle tot – jeder Geist, jedes helle Licht im Lande! Das darf nicht sein! Hilf ihnen! Covenant, hilf ihnen!« Aber Covenant hatte keine Ahnung, wie er ihnen helfen sollte. Er stand da wie gelähmt. Der Anblick des schwarzen Keils bereitete ihm eine solche Übelkeit, als beobachte er über eine Kluft von Gefühllosigkeit hinweg, wie ein Wahnsinniger ihm die Finger abnagte – Übelkeit, Wut und ratloser Zorn beherrschten ihn, als habe er bereits zu lange gewartet, um noch Gegenwehr leisten zu können, und besitze zur Verteidigung nicht länger Hände. Triocks Messer entglitt seinen klammen Fingern und ging im Dunkeln verloren. Wie ...?
Für einen Moment zerrte Atiaran wutentbrannt an ihm herum. »Covenant!« schrie sie ihm ins Gesicht. »Hilf ihnen!« Dann machte sie kehrt und lief hinunter ins Tal, um sich dem Keil entgegenzuwerfen. Die Geister des Landes ...! Atiarans Tatkraft brach seine Starre des Schreckens. Er riß Baradakas' Stab an sich, duckte sich unter den Flammen hinweg und folgte ihr nach unten, noch in gebückter Haltung, um nicht mit den Geistern über seinem Kopf zu
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