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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Wind, und sprach für den Rest des Tages kein einziges Wort mehr.
    Am Abend dieses Tages konnte Covenant, als sie ihr Nachtlager bereitet hatten, wieder keinen Schlaf finden. Wider Willen lag er wach und starrte auf die Sichel des Mondes und sah mit Entsetzen, daß sie nicht länger silberweiß war, sondern rot – in der Farbe von Blut und den lavaroten Augen Seibrich Felswürms. Das Rot überzog die Hügel mit fremdartiger Farbtönung, gab der Nacht eine dunkelrötliche Färbung, als schwitzten die Hänge, Bäume, Sträucher und Gräser Blut, als winde sich ganz Andelain in Qualen. Darunter schimmerte der beschmutzte Grund, als müsse er erbeben. Covenant starrte in den Nachthimmel, vermochte die Lider nicht zu schließen. Obwohl ihm menschliche Teilnahme gutgetan hätte, biß er die Zähne zusammen und verzichtete darauf, Atiaran zu wecken. Allein und zittrig, die Hände um Baradakas' Stab gekrampft, saß er bis zum Schwinden des Mondes wach; dann schlief er, ohne daß ihn die tiefe Bestürzung verließ, bis zur Morgendämmerung.
    Und am vierten Tag nach der Nacht des Tanzes der Flammengeister war er es, der ihre Marschgeschwindigkeit bestimmte. Er beschleunigte ihren Schritt immer mehr, während der Tag verging, als fürchte er, der blutrote Mond könne ihn einholen. Als sie sich wieder zur Nacht einrichteten, gab er Atiaran seinen Stab, ließ sie sich hinsetzen und zeigte ihr im dunkelroten Dunst überm Horizont des Mondes blutige Sichel. Seine Krümmung war bereits wesentlich voller als in der vorherigen Nacht. Atiaran betrachtete ihn in versteifter Haltung, umklammerte den Stab, aber sie unterdrückte den Aufschrei, der ihr entfahren wollte. »Es bleibt keine Zeit«, sagte sie mit tonloser Stimme, als sie seine ganze Abartigkeit erkannt hatte, und wandte ihr Gesicht ab.
    Am darauffolgenden Morgen übernahm wieder sie die Führung. Unter dem Eindruck des angekränkelten Mondes war sie, wie es den Anschein hatte, zu irgendeinem Entschluß gelangt, und nun trieb sie sich mit einer Rücksichtslosigkeit vorwärts, als habe sie sich selbst eine Züchtigung auferlegt oder einen Fluch auf sich herabbeschworen, so daß ihr bloßer Vorsatz der Logik der Niederlage trotzte. Anscheinend glaubte sie, daß sowohl für sie wie auch fürs Land alles verloren sei, doch ihre Art des Voranstürmens bewies, daß Schmerz kein schlechterer Ansporn war als irgend etwas anderes. Wieder einmal mußte Covenant alle Mühe aufwenden, um mit ihr Schritt zu halten. Er fand sich mit ihrem Tempo um der vielfältigen Gefährdung seiner eigenen Person willen ab; er verspürte keinerlei Lust, in die Gewalt von Mächten zu geraten, die Geister attackieren und sogar den Mond antasten konnten. Aber er achtete peinlich genau auf die Einhaltung seiner VBG und anderer Selbstschutzmaßnahmen. Wäre ihm eine andere Klinge als sein Taschenmesser in die Hände gefallen, er hätte sich mit ihr rasiert.
    Diesen Tag, einen Großteil des Abends und den Vormittag des nächsten Tages verbrachten sie mit ständigem Vorwärtsstolpern im Fast-Laufschritt. Covenant hielt mit, so gut er es noch vermochte, aber die langen Tage und ruhelosen Nächte hatten seine Kräfte aufgezehrt, seinen Schritt unsicher gemacht, seine Muskeln geschwächt. Er stützte sich immer nachhaltiger auf seinen Stab, streckenweise völlig dazu außerstande, ohne ihn das Gleichgewicht zu wahren. Und selbst mit dieser Unterstützung wäre er in einer anderen Gegend zweifellos gestürzt. Aber die kraftreiche, feingespürige Substanz Andelains half ihm. Gesunde Luft erfrischte seine Lungen, dichtes Gras streichelte seine wehen Fußknöchel, Güldenblattbäume spendeten Schatten, Schatzbeeren quollen in seinem Mund vor Nahrhaftigkeit schier über. Und dann endlich, kurz vor der Mittagsstunde des sechsten Tages nach dem mißratenen Frühlingsfest, wankten er und Atiaran über die Kuppe eines Hügels und sahen in der Talsohle unter ihnen den Seelentrostfluß.
    Er strömte breit, still und mit behäbiger Langsamkeit, unterm azurblauen Himmel selber blau, direkt ostwärts, lag über ihrem Weg wie eine Demarkationslinie oder gar Grenze des Erreichbaren. Wo er sich wand und zwischen den Hügeln außer Sicht kam, besaß er ein Flimmern wie von Jugendlichkeit, wies er ein Funkeln eingebetteten Übermuts auf, als könne ihn schon das Kitzeln der nächsten Sandbank in seiner Flanke zu lautem Gelächter reizen. Und sein Wasser war so rein, klar und frisch wie jenes Wasser in einem Taufbecken. Bei seinem

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