Der Fluch vom Valle della Luna
hat. Unter Basiles verschmitztem Grinsen verschwindet der Chefassistent endlich mit einer geschmeidigen Bewegung in der Öffnung.
Eine Minute. Zwei Minuten. Drei ... Nelly wird unruhig.
»He, Gerolamo, was ist da unten? Gib doch mal ein Lebenszeichen von dir!« Basile grinst jetzt nicht mehr. Mit gerunzelter Stirn bückt er sich über den Spalt. Es vergehen weitere Minuten, dann taucht Gerolamos Kopf wieder auf. Eine Sekunde später ist er draußen und klopft sich den Staub von Jacke und Hose.
»Und? Was hast du da unten gesehen?«
Gerolamo zuckt mit den Achseln.
»Da gibt’s nicht viel zu sehen. Eine nicht sehr tiefe Höhle, die sich immer weiter verengt, bis man nicht mehr weiterkommt. Vom Wasser ausgewaschen, würde ich sagen. Und der Junge ist da reingefallen? Der muss total besoffen gewesen sein.«
»Es sei denn, er wurde gestoßen.«
»Vor allem frage ich mich, wie er hierhergekommen ist. Er hatte einen Punto gemietet, der in Olbia sichergestellt wurde. Er muss mit jemandem mitgefahren sein. Oder jemand hat den Wagen nach dem Überfall in Olbia abgestellt, damit Filippo nicht so schnell gefunden wird. Und dann die verschwundenen Papiere ...«
Ratlos schüttelt Basile den Kopf. Die Ortsbegehung hat mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Inzwischen ist es nach Mittag.
»Ich weiß ja nicht, was mit euch ist, aber ich habe allmählich Hunger«, sagt Nelly. Den anderen geht es ähnlich. Sie wandern den Trampelpfad zurück, steigen ins Auto und fahren nach Luras.
Die Straße führt durch die Ebene Richtung Tempio zurück, dann geht es wieder bergan nach Luras, das hoch auf einem Hügel liegt, nicht von Bergen beengt wie Aggius, sondern mit freiem Rundblick auf die Landschaft darunter. Der neuere Teil des Dorfes liegt weiter unten, der alte und für Nelly interessantere Teil oben auf der Kuppe. Sie schlängeln sich durch die immer enger werdenden Straßen und erreichen eine Piazza, von der verschiedene Gassen abgehen. Das Dorfzentrum: die Post, das Rathaus, ein paar Bars. Die Läden schließen gerade zur Mittagspause. Nelly spricht eine alte Frau an, die eben das Rollgitter vor einem Papierwarenladen herunterlässt.
»Entschuldigen Sie, Signora, könnten Sie uns sagen, wo wir hier etwas Gutes zu Mittag essen können?«
Die Frau lächelt freundlich und denkt nach.
»Das ist gar nicht so einfach. Es gibt hier im Dorf ein Restaurant, aber das ist sehr teuer, da möchte ich Sie nicht hinschicken. Dann gibt es noch ein paar Lokale in den Ortschaften ringsum, aber auch da ziehen sie einem das Geld aus der Tasche und wirklich gut sind sie nicht. Dann lieber Tiu Pedru . Die Karte ist nicht besonders groß, aber alles ist hausgemacht. Ansonsten müssten Sie ins neue Industriegebiet fahren. Dort gibt es ein paar gute Restaurants, die einander Konkurrenz machen. Aber wenn Sie im Dorf essen wollen, ist Tiu Pedru das beste. Sehen Sie dort die Straße? Die erste Gasse links, und Sie stehen direkt davor.«
Unter den Blicken der Dörfler, die vor den beiden Bars sitzen, folgen sie der Wegbeschreibung der Alten, biegen in die Gasse ein und stehen vor der Trattoria von Tiu Pedru.
»Hier isst man bestimmt ausgezeichnet«, ruft Basile mit Kennermiene aus. Sie betreten das schummrige Lokal, rechts ein Tresen, davor ein paar Tische. Hinter einem Rundbogen ein zweiter Gastraum. An den Wänden Dorfansichten vom Anfang des letzten Jahrhunderts, alte Fotos, die Nellys Neugier wecken. An einem Tisch sitzt ein Pärchen, an einem anderen eine Touristenfamilie, Deutsche oder Engländer, mit einem strohblonden kleinen Mädchen. Ein Mann mittleren Alters – Tiu Pedru? – eilt aus der Küche. Er heißt sie willkommen, führt sie zu einem Tisch und präsentiert ihnen das einfache, aber vielversprechende Menü. Eine breite Auswahl von Wurst und Käse mit Oliven und pane carasau , Spanferkel, z uppa gallurese , Ravioli in Tomatensauce, gegrilltes Schweinefleisch mit Kartoffeln. Zu trinken der Nebbiolo aus der Gegend oder Vermentino oder Moscato für die Weißweinliebhaber. Nebbiolo hier, wundert sich die Piemonteserin Nelly. Aber natürlich, die Traube wächst hier hervorragend. Und was ist das für eine Suppe? Eine typische Spezialität mit gekochtem Brot.
Sie essen in andächtigem Schweigen. Gerolamo hat auf Wein verzichtet, doch ein Gläschen Myrtenschnaps nach dem Kaffee kann er sich nicht verkneifen. Sie zahlen, verlassen das Lokal und machen sich auf den Weg zu ihrer Bleibe.
Das saubere, frisch sanierte Bed & Breakfast,
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