Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
nach Ipswich, um ein paar Ersatzteile zu holen.« Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. »Soll ich den Kessel für Sie aufsetzen? Sie sehen aus, als könnten Sie was Heißes zu trinken brauchen.«
David schüttelte matt den Kopf. »Nein danke, Jimbo, mir geht’s bestens. Vielleicht mache ich mir nachher etwas«, fuhr er mit einem bemühten Lächeln fort. »Ich fahre heute nach London zurück. Vorher schaue ich noch bei dir vorbei und gebe dir den Schlüssel zurück.«
Endlich wandte der junge Mann sich zum Gehen. Als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, empfand David den dringenden Wunsch, ihn zurückzurufen, aber irgendwie widerstand er dem Verlangen.
Er mußte zurück zu Edgar.
33
» L uke, ich muß zu dem Haus, in dem meine Mutter gelebt hat.«
»O Joss!« Luke setzte sich auf. »Wir sind doch hierhergekommen, um das alles zu vergessen.«
»Ich kann es aber nicht vergessen, Luke«, widersprach sie. »Ich will es mir ja nur mal ansehen, damit ich weiß, wo sie gewohnt hat. Ich habe die Adresse. Ich muß wissen, ob sie hier in Paris glücklich war.«
»Und wie willst du das herausfinden?« Er holte tief Luft. »Joss, sie ist seit sechs Jahren tot. Ich nehme nicht an, daß sich noch irgend jemand an sie erinnert.«
»Vielleicht doch.« Sie ballte die Hände zur Faust. »So viel Zeit ist das auch wieder nicht. Bitte, Luke. Wenn’s sein muß, gehe ich auch allein.«
»Du weißt, daß ich das nicht zulassen würde«, sagte er seufzend.
Sie lächelte matt. »Danke.«
»Also gut. Ich gebe nach. Jetzt essen wir zuerst etwas, und dann machen wir uns auf den Weg. Und dann, bitte, laß uns für die restlichen Tage ausspannen und uns amüsieren. Ja?«
Sie schlug die Bettdecke zurück. »Natürlich. Versprochen.«
Die Rue Aumont-Thiéville lag im 17. Arrondissement. Der Taxifahrer hielt in einer kurzen Straße, in der modernere ateliers -Häuser standen. Mit einem Seufzen sah Joss zu den hohen Studiofenstern hinauf. »Hier war es. Hier hat sie mit Paul gelebt, nachdem sie zu ihm gezogen ist.«
»Willst du klingeln?«
Sie biß sich auf die Unterlippe. »Fragt man nicht die Concièrge? Oder gibt es die nicht mehr? Angeblich wissen sie doch immer alles über jeden einzelnen Mieter in ihrem Haus.«
»Die sind allesamt Drachen«, erklärte Luke mit einem breiten Grinsen. »Direkte Nachkommen der tricoteuses , die strickend am Fuß der Guillotine saßen und die Köpfe zählten, die in den Korb fielen!«
»Du willst mich ja nur verschrecken.«
»Nicht wirklich. Ich weiß doch, daß das gar nicht geht.« Er legte ihr einen Arm um die Schultern. »Jetzt mach schon, klingel an der Tür!«
Die junge Frau, die ihnen die Tür öffnete, hatte nicht die mindeste Ähnlichkeit mit einer tricoteuse . Sie war schick gekleidet und geschminkt und sprach fließend Englisch. »Monsieur Deauville? Ja, er lebt noch hier, Madame.«
Joss sah sich nach Luke um und wandte sich dann wieder zu der jungen Frau. »Vielleicht erinnern Sie sich an meine – das heißt, seine …« Sie brach ab. Plötzlich fiel ihr ein, daß sie gar
nicht wußte, ob ihre Mutter wieder geheiratet hatte. »Madame Deauville«, fuhr sie hastig fort. »Sie ist vor sechs Jahren gestorben. «
»Das tut mir leid, Madame«, erklärte die Concièrge mit einem bedauernden Lächeln, »aber das war noch zur Zeit meiner Mutter. Ich bin erst seit zwei Jahren hier. Ich kann Ihnen nur sagen, daß es jetzt keine Madame Deauville gibt.« Dann fügte sie hinzu: »Möchten Sie hinaufgehen?«
Joss nickte und fragte dann Luke: »Willst du mitkommen, oder möchtest du in der Zwischenzeit lieber spazierengehen oder so?«
»Sei nicht dumm.« Er folgte ihr ins Gebäude. »Natürlich will ich mitkommen.«
Der alte schmiedeeiserne Lift, der klein, reich verziert und furchteinflößend war, beförderte sie mit träger Langsamkeit in den dritten Stock, wo sie das Gitter mühsam aufschoben und auf den kahlen, frisch geputzten Flur traten. Nachdem sie geklingelt hatten, dauerte es einige Minuten, bis ihnen die Tür geöffnet wurde. Paul Deauville war, wie Joss schätzte, gut achtzig Jahre alt, ein großer, weißhaariger, erstaunlich gutaussehender und äußerst charmanter Mann. Er begrüßte sie mit einem herzlichen Lächeln. »Monsieur? Madame?« Fragend blickte er sie an.
Joss holte tief Luft. »Monsieur Deauville? Sprechen Sie Englisch?«
Sein Lächeln wurde noch freundlicher. »Natürlich.«
Er trug ein offenes Hemd und darüber einen dicken Wollpullover. Auf den
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