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Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
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Büroklammern, Etiketten und Umschläge; eine Schublade voll unbeschriebener Notizzettel mit Briefkopf; und in einer weiteren Schublade lag, ganz für sich allein, ein in Leder gebundenes Notizbuch. Neugierig nahm Joss es heraus und öffnete es. Vorne standen in der Handschrift ihrer Mutter die Worte »Für meine Tochter Lydia«. Joss durchfuhr ein Schauder. War ihre Mutter wirklich davon überzeugt gewesen, daß sie nach Belheddon kommen würde? Daß sie sich eines Tages auf diesen Stuhl am Sekretär setzen und alle Schubladen öffnen würde, bis sie – sie blätterte die Seiten durch – nicht ein Tagebuch fand, wie sie halb erwartet hatte, sondern nur undatierte leere Seiten.

    Und einen kurzen Abschnitt in zittriger Schrift, etwa in der Mitte des Buchs:
    Heute kam er wieder, ohne Warnung und ohne Gnade. Meine Angst macht ihn stärker –
    »Joss?« Lukes Stimme ließ sie zusammenfahren. Er stand umhüllt von seinem Bademantel in der Tür, und selbst von ihrem Platz aus konnte sie den Moschusduft seines Rasierwassers riechen.
    Sie klappte das Buch heftig zu und atmete tief durch.
    »Was ist los? Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Nein, es ist nichts.« Sie legte das Notizbuch wieder in die Schublade, zog den Rolldeckel herunter und versperrte den Sekretär. »Er hat meiner Mutter gehört. Es ist sehr seltsam, ihre Briefe zu lesen …«
    Meine Angst macht ihn stärker –
    Wen, um Himmels willen? Vor wem hatte ihre Mutter solche Angst gehabt, und warum hatte sie etwas über ihn geschrieben, in ein ansonsten leeres Notizbuch, das sie eigens für Joss angelegt hatte?
    Als Joss später im Himmelbett lag und zu dem Seidenbaldachin in der Dunkelheit über sich hinaufsah, fiel es ihr schwer, die Augen zu schließen. Luke war in einen unruhigen Schlaf gefallen, sobald sein Kopf das Kissen berührt hatte. Sie waren beide völlig ausgelaugt. Immerhin waren sie morgens um fünf Uhr in London aufgestanden, und jetzt, nach Mitternacht, lagen sie im Bett in Belheddon. Belheddon, das von nun an auf Gedeih oder Verderb ihr Zuhause war.
    Wenn sie den Kopf ein wenig nach rechts und links drehte, sah sie die beiden von Stabwerk untergliederten Fenster an den gegenüberliegenden Wänden, in denen Sterne funkelten. Eines ging nach vorne zur Auffahrt und zum Dorf hinaus, das andere bot einen Blick auf den hinteren Garten und den Teich, und jenseits davon auf die Flußmündung und die Nordsee. Luke hatte die Vorhänge geschlossen – schwere, prachtvolle Gardinen mit Wollstickerei und dickem Futter –, damit es nachts nicht zu kalt wurde. Zuerst war Joss froh darüber gewesen,
nicht im Durchzug schlafen zu müssen, aber dann hatte sie die Vorhänge doch wieder geöffnet. »Zu klaustrophobisch«, erklärte sie Luke, als sie sich neben ihn in das hohe Bett legte. Seine Antwort bestand einige Sekunden später in einem leisen Schnarchen. Draußen tauchte der Mond den Garten in taghelles Licht, während der Abendtau zu einer dünnen Eisschicht gefror. Fröstelnd kuschelte sich Joss unter das Federbett – ein Zugeständnis an die moderne Zeit; die gestickte Überdecke lag sorgfältig zurückgefaltet am Fußende – und war froh über die Wärme ihres Mannes. Unwillkürlich wanderte ihre Hand zu seiner Schulter. Als sie sich in der Dunkelheit an ihn schmiegte, bemerkte sie nicht die leise Bewegung in der Ecke des Zimmers.

7
    E s war noch dunkel, als Joss aus dem Bett schlüpfte und mit bloßen Füßen über den eisigen Fußboden zum Bad ging. Luke murmelte leise vor sich hin, drehte sich um, knuffte das Kissen und schlief wieder ein. Joss schaltete das Licht an und griff nach ihren Kleidern, die sie am Abend über den Stuhl geworfen hatte. Eine warme Hose, ein Hemd, zwei Pullover, dicke Thermosocken. In dem kalten Badezimmer bildete ihr Atem kleine Wölkchen. Als sie den Vorhang beiseite schob und in die Dunkelheit hinausspähte, war sie gleichzeitig entzückt und entsetzt festzustellen, daß sich innen auf der Scheibe ein Spitzenmuster von Eisblumen gebildet hatte. Wehmütig lächelnd schlich sie auf Zehenspitzen zu Toms Tür. Erschöpft von den Aufregungen des vorherigen Tags schlief er tief, flach auf dem Rücken ausgestreckt; seine Ärmchen lagen über seinem Kopf auf dem Kissen, sein Gesicht vom Schlaf gerötet. Sie ging zur Kommode, auf der das Nachtlicht brannte, und warf einen Blick auf das Thermometer, das sie auf Alices Rat hin dort aufgestellt hatten. Die Temperatur war konstant geblieben. Zufrieden verließ sie sein Zimmer und

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