Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
mehrere Gedenktafeln von Leuten, die im Herrenhaus gelebt haben. Aber alle heißen anders. Offenbar haben ein Dutzend Familien hier gewohnt. Das ist wirklich ärgerlich, weil ich nicht weiß, wer meine Vorfahren sind oder ob ich überhaupt mit ihnen verwandt bin.« Sie betrachtete eine abgetragene Steinplatte neben der Kanzel. »Hier – Sarah, geliebtes Weib von William Percival von Belheddon Hall, gestorben am 4. Dezembertag 1884. Dann kommt viel später meine Großmutter Lydia Manners, und meine Eltern hießen Duncan. Alles unterschiedliche Familien.«
»Hast du die Familienbibel gefunden?« David war in den Altarraum gegangen. »Ach, hier sind zwei De Veres. 1456 und 1453, beide von Belheddon Hall. Vielleicht waren sie auch deine Vorfahren.«
Joss folgte ihm mit dem Kinderwagen. »Ich bin noch gar nicht darauf gekommen, eine Familienbibel zu suchen. Das ist eine gute Idee!«
»Wenn es wirklich eine gibt und sie entsprechend groß ist, sollte sie sich eigentlich leicht finden lassen. Ich helfe dir später suchen. Aber Joss …« Sein Gesicht war ernst, als er ihr den Arm
um die Schultern legte. »Ich glaube wirklich nicht, daß du vom Teufel abstammst!«
»Aber du mußt zugeben, daß es ein interessanter Gedanke wäre, oder nicht?« Sie stand vor dem Altargitter und sah zu dem bunten Bleiglasfenster hinauf. »Andererseits, wenn es wahr wäre, würde mittlerweile bestimmt ein verbrannter Geruch in der Luft hängen, und um meinen Kopf würden Winde heulen und Dämonen schreien.«
Katherine
Das Geräusch im Chorgewölbe über ihr war nicht mehr als ein Raunen im Wind. Keiner von ihnen hörte es.
David setzte sich auf eine Kirchenbank. »Joss – die Sache mit dem Schreiben. Ich habe meinem Freund Robert Cassie bei Hibberds deine Kurzgeschichte Sohn des Schwertes gezeigt. Ich war beim Lesen wirklich hingerissen. Ich finde, deine Idee, einen Thriller im Mittelalter spielen zu lassen, funktioniert gut. Ich habe es immer schade gefunden, daß es nur eine Kurzgeschichte ist, und dachte, daß sie einen guten Roman abgeben würde. Das glaube ich auch jetzt noch. Bob ist derselben Meinung. Ich weiß ja nicht, ob es dich reizt, aber wenn du dir vorstellen könntest, die Geschichte zu einem richtigen Roman auszubauen, wäre er interessiert, deine Vorschläge zu hören. Vielleicht könntest du ein paar Charakterskizzen schreiben und zwei oder drei Kapitel, etwas in der Art.«
Sie blieb reglos stehen. »Hat er das im Ernst gemeint?«
David nickte. »Ich habe dir doch gesagt, daß du schreiben kannst, Joss. Ihm haben die Figuren gefallen, und das Rätsel fand er ungeheuer spannend – und in der Geschichte wird es nie gelöst.« Er hob eine Augenbraue. »Weißt du denn, wie das Ganze endet?«
Joss lachte. »Natürlich.«
»Na, dann brauchst du es doch nur noch hinzuschreiben.«
Am selben Abend entdeckten sie die Familienbibel. Das riesige, in Leder gebundene Buch lag unten im Regal hinter dem Sessel ihrer Mutter im Arbeitszimmer. »Von Bücherwürmern angefressen. « David befingerte die brüchigen Seitenränder. »Und wahrscheinlich von Mäusen. Aber da – sieh mal! Dutzende von
Einträgen auf den Vorsatzpapieren. Das ist ja phantastisch. Nehmen wir es doch mit in die Küche, dann können wir es auf dem Tisch unter der hellen Lampe durchsehen.«
Luke wusch sich gerade seine ölverschmierten Hände, als die beiden triumphierend ihren Fund hereintrugen und ihn ehrfürchtig auf den Tisch legten. »Was habt ihr denn jetzt entdeckt? « Er grinste nachsichtig. »Ihr benehmt euch wie zwei aufgeregte Schulkinder!«
Vorsichtig schlug David das Buch auf. »Ah ja. Der erste Eintrag ist von 1694.«
»Und der letzte?« Joss sah ihm über die Schulter.
David blätterte die schweren, handgearbeiteten Seiten durch. »Samuel Philip John Duncan, geboren am 10. September 1946.«
»Sammy.« Joss schluckte schwer. Weder Georgie noch sie, das ausgestoßene Kind der Familie Duncan, war dort eingetragen.
David trat scheu einen Schritt zurück, als würde er seinen Schatz nur widerwillig hergeben. »Da, schau selbst.«
Joss setzte sich hin und legte den Finger auf die Seite. »Da ist sie ja«, sagte sie, »die Sarah aus der Kirche. Sarah Rushbrook, verehelicht mit William Percival am 1. Mai 1861. Dann Julia Mary, geboren am 10. April 1862, gestorben am 17. Juni 1862 – sie ist nur zwei Monate alt geworden.«
»Die Zeiten waren grausam. Die Sterblichkeitsrate bei Kindern war enorm hoch, Joss. Vergiß die Statistik nicht«,
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