Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
schließlich auch. Langsam gehen. Keine Hausarbeit, und sie dürfe Tom nicht tragen. Das waren die Auflagen.
Sobald Joss einen Augenblick allein im Arbeitszimmer war, griff sie zum Hörer und rief David an. »Warum bist du einfach verschwunden, ohne dich zu verabschieden?« Luke war nach Cambridge gefahren, um Ersatzteile zu kaufen; ihn konnte sie nicht fragen.
Sie bemerkte, daß er nur zögernd antwortete. »Joss, vielleicht bin ich einmal zu oft zu euch gekommen.«
»Was soll das heißen?« fragte Joss verständnislos. »Lyn meint, du hättest dich mit Luke gestritten. Das ist unmöglich. Niemand kann mit Luke streiten.«
»Wirklich nicht?« Er hielt inne. »Sagen wir mal, Luke und ich hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit. Nichts Ernstes. Ich dachte nur, es wäre vielleicht an der Zeit, nach Hause zu fahren und mich auf das neue Trimester vorzubereiten. Weiter nichts.«
»Worüber habt ihr euch gestritten?« Sie sah zur Tür. Es war still im Haus; Lyn machte mit Tom einen Spaziergang.
»Er hat wohl das Gefühl, daß ich dich in deiner Besessenheit mit dem Haus zu sehr unterstütze.« Er sagte nichts von Lukes plötzlicher und unerklärlicher Feindseligkeit und seiner hitzigen Beschuldigung wegen einer Rose.
Joss erwiderte nichts.
»Joss, bist du noch da?«
»Ja. Ich dachte nicht, daß es ihm etwas ausmacht.«
»Er hat ja auch nichts dagegen, daß du dich dafür interessierst. Das tut er selber. Er will nur nicht, daß es überhand nimmt.«
Sobald Luke zurückkam, stellte sie ihn zur Rede. »Was denkst du dir eigentlich dabei, mit David zu streiten und ihn rauszuwerfen? Wenn es dich stört, daß er Nachforschungen über das Haus anstellt, dann sag’s mir, und nicht ihm. Schließlich habe ich ihn darum gebeten!«
»Joss, du wirst besessen …«
»Selbst wenn, dann hat das nichts mit David zu tun!«
»Das finde ich schon.« Luke preßte die Lippen zusammen.
»Nein. Außerdem steckt auch noch etwas anderes dahinter, stimmt’s? Du bist auf die verrückte Idee verfallen, daß er in mich verliebt ist.«
»Ich finde nicht, daß das eine verrückte Idee ist, Joss. Das sieht
doch jeder, und dir sollte es auch klar sein.« Er klang sehr bedrückt. »Das kannst du nicht leugnen.«
Sie schwieg einen Augenblick. »Er mag mich, das weiß ich. Und ich mag ihn auch.« Trotzig hielt sie Lukes Blick stand. »Aber das heißt nicht, daß wir uns in eine stürmische Liebesaffäre stürzen wollen, Luke. Du bist der Mann, den ich liebe. Du bist der Mann, den ich geheiratet habe, der Vater meiner Kinder. « Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. »Luke.« Sie zögerte. »Hat das Ganze mit einem Krach über Blumen angefangen?«
Luke zuckte mit den Schultern. »Soweit ich weiß, ist eine Rose immer ein Unterpfand der Liebe.«
»Eine Rose.« Ein kalter Schauder durchfuhr sie.
»Er hat eine Rose auf dein Kissen gelegt.« Jetzt war Luke ärgerlich. »Komm schon, Joss, sogar du weißt, was das bedeutet.«
Sie schluckte. Die Rose, die sie auf ihrem Nachttisch gefunden hatte, war kalt und tot gewesen. Sie wußte, daß sie nicht von David stammte.
Lange Zeit sagte sie nichts mehr über das Haus oder die Familie. Sie las die Tagebücher ihrer Mutter, wenn sie allein war, und in den Pausen beim Schreiben ging sie nur dann auf den Dachboden, wenn Luke außer Haus war oder am Wagen arbeitete. David kam sie in dem Trimester nicht besuchen und schickte ihr auch keine Fotokopien aus Büchern oder Notizen mehr.
Da Lyn auf Tom aufpaßte, konnte Joss zu Babygeschäften fahren und Büchereien besuchen, um für ihren Roman zu recherchieren; und diese Ausflüge nutzte sie als Vorwand, um ein- oder zweimal in den Bibliotheken von Ipswich und Colchester nach Büchern über die Geschichte der Umgebung zu suchen und sich Bände über Kleidung und Ernährung im Mittelalter und über Politik im 15. Jahrhundert auszuleihen. Simon hatte ihr die Erlaubnis dazu gegeben, unter der Bedingung, daß sie sich ausruhte, sobald sie müde wurde. So fuhr sie durch das Land und stellte überrascht fest, daß sie außerhalb des Hauses, wenn sie der gespannten Atmosphäre mit Lyn entkam, glücklicher und zuversichtlicher war als seit vielen Jahren.
Wenn sie dann angeregt und voller Ideen nach Hause kam, schrieb sie fast pausenlos; sie hörte die Geschichte in ihrem
Kopf, beinahe als würde sie ihr von Richard selbst diktiert. Allmählich glaubte sie, daß der Roman wie ein Zauberbann wirkte – solange sie in Gedanken ihm nachhing und nicht der
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